Full text: Ziele und Resultate der neueren mathematisch-historischen Forschung

87 
dann handelt es sich erst darum, sich in den Ideeengang des 
betreffenden Schriftstellers hineinzudenjcen, ihn nach Kräften zu 
reconstruiren und schliesslich seine Theoreme in die Sprache 
der neueren Mathematik zu übertragen. Wahrlich; wer nur eine 
einzige grössere Leistung dieser Art, z. B. Boncompagni’s 
Untersuchungen über Fibonacci, kennt, wird uns Recht ge 
ben müssen. Und wer wollte leugnen, dass es viel weniger 
schwierig sei, sich mit der Sprach- und Denkweise eines Euler 
und Lagrange, als mit derjenigen eines Euclid oder Dio- 
phant vertraut zu machen. 
1) Ohrtmann, Das Problem der Tautochronen, Berlin 1872. S. 3. 
2) Suter, Geschichte der mathematischen Wissenschaften, 1, Theil, Zü 
rich 1873. 2. Theil, ibid. 1875, 
Note 17. *) 
Die Frage nach der Entstehung unseres jetzigen Zahlen 
system es datirt ungefähr aus der Mitte des vorvergegangenen 
Jahrhunderts. Bis dahin war man vollständig einig in der An 
nahme eines arabischen Ursprunges, über dessen eigentliche Na 
tur man freilich noch sehr im Dunklen war. Den ersten Streit 
apfel warf in die gelehrte Welt der unterrichtete und besonders 
um Geschichte der Mathematik nicht unverdiente Polyhistor 
Isaac Vossius 2 ), welchem wir die erste Hinweisung auf die 
seitdem so berühmt gewordenen „pythagoräischen“ Zeichen des 
Boethius 3 ) zu danken haben. Der Engländer Wallis 4 ) trat 
mit Entschiedenheit für die Araber ein, während der Deutsche 
Weidler, der Verfasser einer für seine Zeit recht brauchbaren 
Geschichte der Sternkunde, sich auf den von Yossius zuerst 
eingenommenen Standpunkt stellte 6 ). Ihn hatte wesentlich der 
Umstand mitbestimmt, dass er bei einer wissenschaftlichen Reise 
die damals auf der Universitätsbibliothek zu Altdorf, nunmehr 
auf derjenigen zu Erlangen befindliche Boethius-Handschrift 
*) Die zahlreichen und ausgedehnten Forschungen über die Geschichte 
unserer Rechnungsweise und Zahlzeichen musste bis vor Kurzem jeder dafür 
sich Intcrcssircnde mühsam sich zusammensuchen. Die ganze Summe von 
Fragen dieser Art findet man dagegen nunmehr übersichtlich zusammenge- 
stellt in einer auch von uns benützten Schrift 1 ) von Treuticin.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.