Erstes Kapitel.
Häufungswerte und Grenzwerte.
8 1. Der Zahlbegriff.
Schon im 5. Jahrhundert v. Chr. hat der Zahlbegriff diejenige Er-
Weiterung erfahren, die auch heute noch die Grundlage der Infini
tesimalrechnung bildet.
Wir wissen es nicht genau, ob Pythagoras selbst oder einer seiner
Schüler die Entdeckung machte, daß sich die rationalen Zahlen, d. h.
die ganzen Zahlen und Brüche, bei der Lösung gewisser Aufgaben
als unzulänglich erweisen. So ist es z.B. unmöglich, die Diagonale eines
Quadrats von der Seite 1 durch eine Rationalzahl auszudrücken. Es
gibt mit andern Worten kein Maß, das in der Seite des Quadrats
und zugleich iu der Diagonale aufgeht. Seite und Diagonale des
Quadrats sind, wie man zu sagen pflegt, inkommensurabel.
Man kann sich denken, welche Verlegenheit die Entdeckung solcher
Jnkommensurabilitäten den Pythagorcern bereiten mußte. Lautete doch
eine ihrer Hauptthesen: Die Dinge sind Zahlen, d. h. man kann
alles durch Zahlen ausdrücken. Hierzu bildete die Diagonale des Qua
drats nlit der Seite 1 eine schlagende Gegeninstanz, solange man nur
die rationalen Zahlen hatte. Wollte man die These retten, so mußte
man notgedrungen zur Einführung irrationaler Zahlen schreiten.
Eudoxos, ein Zeitgenosse Platons, gab als erster eine wissen
schaftlich befriedigende Theorie der Irrationalzahlen (4. Jahrhundert
v. Chr.). Als solche dürfen wir seine Proportionenlehre auffassen, die
man im 5. Buche von Euklids Elementen (um 300 v. Chr.) dar
gestellt findet. Eudoxos geht im Grunde genommen von demselben
Gedanken aus, den in neuerer Zeit (1872) Dedekind zur scharfen
Erfassung des Irrationalen verwendet hat. Die Irrationalzahl wird
definiert durch eine Einteilung der Rationalzahlen in eine Klasse der
größeren (obere Klasse) und eine Klasse der kleineren (untere Klasse).
So oft eine solche Einteilung der Rationalzahlen, ein sogenannter
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