Full text: Commissions II (Cont.) (Part 4)

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Die Theorie der umgeformten Strahlenbündel 
und ihre praktische Anwendung im Stereometrograph 
aus JENA 
H. Schoeler 
1. Einleitung 
Die konventionellen Zweibildkartiergeräte sind zumindest in 
ihrer Konzeption der Wiederherstellung der Aufnahmestrahlen - 
bündel bei der Auswertung seit ihrer Entstehung unverändert 
geblieben. Wenn auch Sander bei seinen Versuchen, den 
Stereoautograph v. Orels für die Auswertung von Luft 
meßbildern zu adaptieren, um 1920 schon die Definition ge 
brauchte, daß der Stereoautograph eine Vorrichtung zur Auf 
lösung von mathematischen Gleichungen sei, so ist dies in den 
folgenden 40 Jahren nur wenig beachtet worden. Es bestand 
auch wenig Veranlassung, einer solchen Feststellung eine 
größere Bedeutung beizumessen. Optische und mechanische 
Lösungen der Projektionssysteme ließen sich nach den grund 
legenden Vorstellungen Th. Scheimpflugs ohne Schwierig 
keiten realisieren; es war unnötig, den komplizierten Weg des 
Einbaues aufwendiger Kompensationssysteme in den für die 
Ausmessung des Verschwenkungsfalles der Stereophotogram 
metrie gebauten Stereoautograph weiterzuverfolgen. 
Wenn auch die Beschränkung der Lösungsmöglichkeiten auf 
die sehr einfachen Vorstellungen Th. Scheimpflugs überhaupt 
erst die praktischen Erfolge der Luftbildmessung zustande 
brachte, so darf andererseits nicht übersehen werden, daß 
im Laufe von 10 Jahren (von 1920 bis 1930) die Wiederher 
stellung der Aufnahmestrahlenbündel bei der Auswertung 
als einzig praktische und mögliche Lösung angesehen wurde; 
alle anderen Versuche waren nahezu in Vergessenheit geraten. 
Um die fünfziger Jahre schlug man die erste Bresche in diese 
so fest gegründete Meinung. Die modernen programmge 
steuerten Elektronenrechner waren in der Lage, das Auswerte 
problem durch Digitalrechnung zu lösen. Dies mußte natür 
lich dazu führen, die photogrammetrischen Zweibildkartier 
geräte als Analogrechner zu klassifizieren. Einen Beweis für 
diese Entwicklung gibt uns Helava in seinen Berichten zum 
London-Kongreß im Jahre 1960. Mit Verwunderung stellt 
er dort fest, daß die umfassendere Definition eines photogram- 
metrischen Zweibildkartiergerätes bereits von Sander am 
Anfang der Entwicklung dieser Geräte gegeben wurde. 
Solche Fragen zur Definition und Auffassung eines vorgelegten 
Problèmes haben bei weitem nicht nur einen akademischen 
Wei’t. Im Falle der photogrammetrischen Auswertung führen 
sie zu einer außerordentlich fruchtbaren Erweiterung der Vor 
stellungen, die sofort zur erheblichen Ausweitung des Anwen 
dungsbereiches führen. Eine dieser modernen Richtungen 
weist auf die analytische Photogrammetrie und den neuen 
Gerätetyp des ,,Analytical Plotter“, ein Zweibildkartiergerät 
mit „mathematischer Projektion“. Diesen Weg wollen wir 
hier nicht weiterverfolgen. Wir wollen uns hier mit den Er 
weiterungsmöglichkeiten der als Analogrechner klassifizierten 
Zweibildkartiergeräte beschäftigen. 
Die heute bekannten Zweibildkartiergeräte sind in ihrer Grund 
konzeption zu einer, Zeit entstanden, als ausschließlich photo 
grammetrische Meßkammern mit einem Bildwinkel von ca. 
65 g verwendet wurden. Das war ausreichend, und niemand 
dachte zunächs daran, dies zu verändern. In dieser Situation 
wurden die Vorschläge Th. Scheimpflugs zur Wiederher 
stellung der Aufnahmestrahlenbündel bei der Auswertung 
praktisch verwirklicht. Die konstruktive Durchbildung führte 
zu erträglichen Geräteabmessungen und ausreichend genauen 
Auswerteergebnissen. 
Mitte der dreißiger Jahre gelang plötzlich R. Richter in 
Jena eine großartige optische Leistung mit der Berechnung 
eines Fliegeraufnahmeobjektives von 95 g Bildwinkel. Die 
Forderung nach einem solchen Objektiv ist gewiß nicht von 
den stereophotogrammetrischen Auswerteinstituten ausge 
gangen. Wenn diese Entwicklung überhaupt von außen her 
beeinflußt wurde, so lediglich vom Bildflieger, der aus wirt 
schaftlichen Gründen seine Flughöhe über Grund zu reduzieren 
wünschte, oder dem Benutzer des „rohen Luftbildes“, der ein 
Objekt, aus gleicher Flughöhe aufgenommen, mit weniger 
Meßbildern gedeckt haben wollte. Welche Möglichkeiten und 
Verbesserungen der größere Bildwinkel auch der messenden 
Stereophotogrammetrie bietet, das ist erst in den folgenden 
15 Jahren untersucht und erkannt worden. Die Tatsache, daß 
in der Photogrammetrie Meßkammern mit unterschiedlichem 
Bildwinkel für wechselnde Aufgabenstellungen zur Anwendung 
kommen müssen, wurde umfassend und einheitlich erst nach 
dem zweiten Weltkrieg praktisch anerkannt. Der Gerätebau 
der dreißiger Jahre strebte danach, die Auswerteeinrichtungen 
möglichst auch für die größeren Bildwinkel zu adaptieren; an 
grundsätzliche Änderungen ging man nicht heran. Es darf 
nicht übersehen werden, daß in dieser Periode immer noch 
mehr Bedeutung den Koppelkammern, der Konvergentauf 
nahme, der Schrägaufnahme und einigen anderen Disposi 
tionen geschenkt wurde, bis diese Variationen dann schließlich 
und endlich in ihrer Bedeutung von der Meßkammer des 
größeren Bildwinkels verdrängt wurden. Erst nach dem zwei 
ten Weltkrieg entstanden die ersten großen Präzisionsaus 
wertegeräte, bei deren Konstruktion die Auswertung von 
Meßbildern bis 95 g Bildwinkel von vornherein berücksichtigt 
worden war. Man hat sich dabei ohne große Bedenken wieder 
auf die Vorstellungen Th. Scheimpflugs gestützt, obwohl 
man bei gründlicher Überlegung am Beispiel des Überganges 
vom Bildwinkel 65 g auf den Bildwinkel 95 g schon voraus 
sehen konnte, daß diese Entwicklung weitergehen würde. Die 
Erweiterung der Typen von Aufnahmegeräten und die prak 
tische Beschränkung auf die Verwendung des Senkrechtluft 
bildes haben eine deutliche Verschiebung in der Bewertung 
von bestimmten Eigenschaften der Zweibildkartiergeräte zur 
Folge gehabt. Die Universalität hinsichtlich der Meßbilder 
mit unterschiedlicher Nadirdistanz wurde unwichtiger (z. B. 
Schrägmeßbilder, konvergente Meßbildpaare); bedeutungs 
voller war jetzt eine schnelle Umstellung des Meßgerätes auf 
Meßbilder mit unterschiedlichem Bildwinkel. 
Die konventionellen Konstruktionen waren nach den üblichen 
Vorstellungen kaum noch erweiterungsfähig. Die Grenze 
dürfte mit einem Bildwinkel von 120 g gegeben sein. In der 
Gruppe der Präzisionsgeräte hat man allerdings, um dies über 
haupt zu erreichen, schon Zuflucht zu Spezialgeräten nehmen 
müssen. Sie können für die übrigen Typen von Meßbildern 
praktisch nicht verwendet werden. Eine weitere Vergrößerung 
des Bildwinkels über 120 ? hinaus scheint auf diesem Wege
	        
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