Das Wesen des Lichts.
(Vortrag, gehalten in der Hauptversammlung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
am 28. Oktober 1919.)
Es mag ein wenig aussichtsreiches, ja in gewissem Sinne ver-
messenes Unterfangen scheinen, wenn ich in diesem weiteren Kreise,
mitten in einer von aufregenden Krisen erschütterten Zeit, während
die vornehmsten Interessen und die besten Kräfte unseres ganzen
Volkes nur auf den bitteren Kampf um seine Existenz und seine
Weltgeltung eingestellt sind, den Versuch wage, Ihre Aufmerksam-
keit auf kurze Frist für ein Thema rein wissenschaftlicher Art in
Anspruch zu nehmen. Aber eingedenk des gerade heute in mehr-
facher Beziehung bedeutungsvollen Satzes, daß ein Gemeinwesen nur
dann gedeihen kann, wenn auch an dem unscheinbarsten Posten ein
jeder, unbeirrt durch äußere Verlockungen und Hemmnisse, nach
bestem Können seiner Pflicht nachgeht, ohne erst viel nach dem
augenblicklichen Erfolg seiner Arbeit zu fragen, habe ich die ent-
gegenstehenden Bedenken überwunden und möchte nunmehr, dem
mir gewordenen ehrenvollen Auftrage folgend, mir erlauben, Sie zu
einem gemeinsamen Gang in die lichten, wenn auch für die meisten
von Ihnen wohl etwas entlegenen Höhen der reinen Forschung, und
zwar der physikalischen Forschung, einzuladen. Empfiehlt sich die
Wahl eines solchen Themas allgemeinwissenschaftlicher Art schon
durch den äußeren Umstand, daß in den praktisch so viel wichti-
geren Gebieten der Technik und der Industrie die interessantesten
neueren Probleme sich gegenwärtig aus mancherlei Gründen einer
eingehenden Besprechung hier zur Zeit noch entziehen, so wird es
andererseits gerade im Sinne der Bestrebungen unserer Gesellschaft
liegen, welche ja ihre vornehmste Aufgabe in der Gründung und
Erhaltung naturwissenschaftlicher Forschungsinstitute erblickt, wenn
in ihren Tagungen die alte Wahrheit auch äußerlich Würdigung
findet, daß, wie auf allen Arbeitsgebieten, so auch in demjenigen,
welches den Naturkräften gewidmet ist, dem Anwenden das Er-
kennen vorausgehen muß, und je feiner die Einzelheiten sind, in die
wir der Natur auf irgendeinem Pfade folgen können, um so reicher
und nachhaltiger wird sich auch der Gewinn erweisen, den wir aus
unserer Erkenntnis zu ziehen vermögen.
In dieser Hinsicht ist unter allen Gebieten der Physik ohne Zweifel
die Optik dasjenige, in welchem die Forschungsarbeit am tiefsten
vorgedrungen ist, und so möchte ich jetzt von dem Wesen des