Full text: Vorträge und Erinnerungen

  
  
  
  
  
  
Die Einheit des physikalischen Weltbildes. 
(Vortrag, gehalten am 9. Dezember 1908 in der naturwissenschaftlichen Fakul- 
tät des Studentenkorps an der Universität Leiden.) 
Meine sehr geehrten Herren! Als mir die freundliche Einladung 
übermittelt wurde, hier vor Ihnen über ein Thema meiner Wissen- 
schaft zu sprechen, war mein erster Gedanke der, wie sorgfältig doch 
die Physik gerade in Holland gepflegt‘ wird, welch glänzende, welt- 
bekannte Namen Ihnen hier tagtäglich voranleuchten, und wie wenig 
an eigentlich Neuem Ihnen daher ein Vortrag über theoretische Phy- 
sik, und nun vollends hier in Leiden, zu bieten vermöchte. Wenn ich 
nun dennoch den Versuch machen will, Ihre Aufmerksamkeit eine 
Zeitlang in Anspruch zu nehmen, so kann ich den Mut dazu lediglich 
aus der Überlegung schöpfen, daß unsere Wissenschaft, die Physik, 
ihrem Ziele ja nicht auf geradem Wege, sondern nur auf vielfach 
verschlungenen Pfaden stetig sich anzunähern vermag, und daß des- 
halb auch in ihr der Individualität des Forschers ein breiter Spiel- 
raum gelassen ist. So arbeitet der eine an dieser, der andere an jener 
Stelle, der eine mit dieser, der andere mit jener Methode, und das 
Physikalische Weltbild, um das wir uns alle bemühen, malt sich zur 
Zeit in jedem wohl etwas verschieden. Daher hoffe ich immerhin auf 
Interesse bei Ihnen rechnen zu dürfen, wenn ich hier im folgenden 
versuche, Ihnen die Hauptzüge des physikalischen Weltbildes zu 
entwerfen, wie es sich aus den mir zur Verfügung stehenden Erfah- 
rungen und Anschauungen heraus gestaltet hat und in Zukunft ver- 
mutlich gestalten wird. 
I. 
Von jeher, solange es eine Naturbetrachtung gibt, hat ihr als letz- 
tes, hóchstes Ziel die Zusammenfassung der bunten Mannigfaltigkeit 
der physikalischen Erscheinungen in ein einheitliches System, womóg- 
lich in eine einzige Formel, vorgeschwebt, und von jeher haben sich 
bei der Lósung dieser Aufgabe zwei Methoden gegenübergestanden, 
oft miteinander ringend, noch ófter sich gegenseitig korrigierend 
und befruchtend, letzteres am reichsten, wenn sie sich in dem nüm- 
lichen Forschergeist zu gemeinsamer Arbeit verbanden. Die eine 
Methode ist die jugendlichere, sie faßt, einzelne Erfahrungen schnell 
verallgemeinernd, mit kühnem Griffe nach dem Ganzen und stellt in 
das Zentrum des Bildes von vornherein einen einzigen Begriff oder 
Satz, in den sie nun mit mehr oder weniger Erfolg die ganze Natur 
pm —MM—MÁÀ————— 
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
	        
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