Die klassische Physik ist ja aufgebaut auf der Voraussetzung,
daß die physikalische Gesetzmäßigkeit sich am vollständigsten
offenbart im unendlich Kleinen. Denn nach ihr ist der Ablauf des
physikalischen Geschehens an irgendeiner Stelle der Welt voll-
ständig bestimmt durch den Zustand an der betreffenden Stelle
und in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Demgemäß besitzen
alle physikalischen Zustandsgrófen: Lage, Geschwindigkeit, elek-
trische und magnetische Feldstárke usw. einen rein lokalen Cha-
rakter, und die zwischen ihnen geltenden Gesetze werden voll-
stándig dargestellt durch raumzeitliche Differentialgleichungen
zwischen diesen Größen. Damit kommt man aber offenbar in der
Atomphysik nicht aus; also müssen die obigen Begriffe ergänzt
bzw. verallgemeinert werden. Aber in welcher Richtung? Eine
gewisse Àndeutung scheint mir in der neuerdings immer deut-
licher zutage tretenden Erkenntnis zu liegen, daB die raumzeit-
lichen Differentialgleichungen, auch die der Wellenmechanik, für
sich allein noch nicht den vollen Inhalt der für die Vorgänge in
einem physikalischen Gebilde gültigen Gesetzlichkeit erschöpfen,
sondern daß dazu immer noch die Berücksichtigung auch der
Randbedingungen für das betrachtete Gebilde gehört. Der Rand
aber ist immer von endlicher Ausdehnung, sein unmittelbares
Hereinspielen in den Kausalzusammenhang bedeutet also ein neu-
artiges, der klassischen Physik fremdes Element der kausalen Be-
trachtung.
Ob und wie weit man auf diesem Wege einmal weiterkommen
wird, muß die zukünftige Forschung lehren. Wie dem immerhin
sein mag, und welche Ergebnisse dereinst einmal ans Tageslicht
kommen werden, eins läßt sich auf alle Fälle mit voller Sicher-
heit behaupten: von einer restlosen Erfassung der realen Welt
22