Full text: Salpetersäure - Thonschiefer (9. Band)

164 SCHWEFELWASSERSTOFF. 
Durch Hitze wird Schwefelwasserstoff zerlegt; die Zerlegung beginnt schon bei / 
4009 und ist in der Glühhitze vollständig. Wasser löst sein dreifaches Volum an 
Schwefelwasserstoffgas. Die Lösung röthet blaues Lackmuspapier, riecht und 
schmeckt wie das Gas und führt den Namen Schwefelwasserstoffwasser 
(Aqua hydrosulfurata). Das Schwefelwasserstoffwasser wird dadurch bereitet, dass 
man gewaschenes Schwefelwasserstoffgas in ausgekochtes destillirtes Wasser so 
lange einleitet, bis bei dem Umschütteln der mit dem Finger verschlossenen Flasche 
dieser nicht mehr angezogen, sondern abgestossen wird. Das Schwefelwasserstoff- 
wasser muss in vollkommen gefüllten, gut verschlossenen Flaschen aufbewahrt . 
werden, da es sich an der Luft unter Abscheidung von Schwefel zersetzt: H,S + N 
0—=H,0+8. SarLTON empfiehlt einen Zusatz von 3 Procent Glycerin zur ® 
Conservirung des Schwefelwasserstoffwassers. Ein Hydrat des Schwefelwasserstoffs, N 
H, S + 7 H, O0, haben DE FORCRAND und VILLARD krystallisirt erhalten. Oxydirende 
Substanzen, auch concentrirte Schwefelsäure zersetzen das Gas unter Abscheidung . 
von Schwefel, weshalb Schwefelsäure auch nicht zum Trocknen desselben benutzt 
werden darf. Schwefelwasserstoff ist ein heftiges Gift, es bewirkt, selbst in ver- 
dünntem Zustande eingeathmet, Bewusstlosigkeit und Ersticken, Als Gegengift ist 
die Einathmung von verdünntem Chlor, welches durch Aufstreuen von Chlorkalk auf 
ein mit verdünnter Essigsäure befeuchtetes Tuch bereitet wird, empfohlen worden. 
Schwefelwasserstoff wird in Gasform und in Lösung viel zur qualitativen und 
quantitativen Analyse benutzt; seine Anwendung verdankt er der Eigenschaft, / 
Metalle aus ihren Lösungen in Form von Schwefelmetallen niederzuschlagen. Man ze 
kann mittelst desselben die Metalle in verschiedene Gruppen trennen, TE 
Eine erste Gruppe enthält solche Metalle, welche durch Schwefelwasserstoff & 
in Gegenwart von freier Salzsäure oder auch Schwefelsäure als_Sulfide nieder- © 
geschlagen werden (Pb, Hg, Cu, Bi, Cd, As, Sb, Sn). 
Die zweite Gruppe umfasst solche Metalle, deren Salze deshalb nicht von DL 
Schwefelwasserstoff zerlegt werden, weil ihre Sulfide durch freie Säuren gelöst n 
werden. Setzt man aber solehen Lösungen Alkali hinzu, so_entstehen jetzt unlös- | 
liche Sulfide (Fe, Ni, Co, Zn, Mn). 
Die dritte Gruppe enthält solche Metalle, welche von Schwefelwasserstoff 
weder in saurer, noch in neutraler oder alkalischer Lösung verändert werden, 
da ihre Sulfide in Wasser löslich sind (Alkali und Erdalkalimetalle). 
H. Beckurts. 
Schwefelwasserstoff gehört zu den giftigsten Gasen, denn schon */,og Vol. 
der Luft beigemischt, tödtet Hunde, *!/,;9 Vol. Pferde. Die Wirkung beruht auf 
einer eigenartigen Veränderung des Blutes, indem das Hämoglobin in Sulf- 
hämoglobin und Sulfhämatin verwandelt wird. Das Blut wird dunkel 
und zeigt statt der beiden Absorptionsstreifen des Oxyhämoglobins das breite 
Band des reduecirten Hämoglobins und einen schmalen Streifen in Roth zwischen 
C und D. Die Blutkörperchen werden zerstört. Ausserdem lähmt das Gas das 
Centralnervensystem und der Tod tritt durch Respirationslähmung ein (KOBERT). 
Der Gefahr einer Schwefelwasserstoffvergiftung ‚sind am häufigsten Chemiker 
ausgesetzt, ferner Cloakenarbeiter, Bauern und Gerber, weil die Luft der Latrinen, 
Mist- und Lohgruben bis zu 13 Procent des giftigen Gases enthalten kann. Auch 
medieinale Vergiftungen können vorkommen bei innerlicher Anwendung des 
Schwefels und seiner Verbindungen. weil aus. diesen im Darme_ sich Schwefel- 
wasserstoff bildet. 
Leichtere Vergiftungen geben sich durch Mattigkeit, Schwindel, Kopfschmerz, 
Ohnmacht zu erkennen, bei schwereren kann das Bewusstsein schwinden, der 
Puls wird schwach und langsam, es treten verschiedenartige Krämpfe auf. Bei 
chronischen und. medieinalen Vergiftungen sind Verdauungsstörungen gewöhnlich, 
Bei acuten Vergiftungen ist der Kranke vor Allem an die frische Luft zu 
bringen, es sind Brechmittel (Apomorphin) zw geben und Chlor ist einathmen zu 
lassen. Bei vorgeschrittener Erstickungsgefahr _ist künstliche Athmung einzuleiten.
	        
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