Full text: Kant

7. Die Erfahrung und das Ding an sich 
1. Wenn Kant durch das Kategoriensystem den Gegenstandsbegriff 
definiert, so zieht er der logischen Reichweite des Gegenstand-Seins 
bestimmte Grenzen. Diese Grenzen lassen eine gewisse Stufung zu, so 
daß man eine Reihe von Gegenstandsbegriffen erhält, wenn man von 
den ihn am meisten begrenzenden Fassungen zu immer allgemeineren 
und weiteren Definitionen aufsteigt, wie bereits vordeutend am Ende 
des fünften Kapitels ausgeführt wurde. Sein engster Gegenstands- 
begriff ist der von den Kategorien der Quantität umschlossene Gegen- 
stand der Mathematik und der Naturwissenschaften. Unter ihm ver- 
steht Kant den den Gesetzen der Mechanik gehorchenden Körper, 
dessen Masse unter der Einwirkung von Kräften steht. Es ist der 
Körperbegriff des mechanischen Weltsystems der newtonschen Phy- 
sik und Astronomie. Wir wissen bereits, wie dieser Gegenstandsbe- 
griff sich in den Analogien der Erfahrung ausweitet, das spezifisch 
mathematische Naturgesetz gleichsam hinter sich lassend und sich 
somit anderen Bestimmungsmöglichkeiten wie den der Geschichts- 
wissenschaften öffnend. Es ist der Gegenstand, der schlechthin als 
existierend bestimmt wird durch die Kategorien des Wirklichen. Von 
dieser Sphäre des Daseins aber erhebt sich der Gegenstandsbegriff in 
noch allgemeinere Regionen, indem er über das Wirklich-Sein hin- 
ausgreift in das Reich des Gültig-Seins und des Gültig-Seienden, dabei 
aber immer den Zusammenhang mit der Erfahrung festhaltend. In 
den Gegenständen der Mathematik erblickten wir den vornehmsten 
und am schärfsten fixierten Repräsentanten der Gegenstandsgebiete, 
die kein Dasein mehr enthalten, sondern nur gültigseiende Gegen- 
stände kennen. Aber Kant macht aus diesem Sein der Gültigkeit keine 
für sich abgesonderte Provinz der Mannigfaltigkeit der Gegenstände, 
sondern wohlweislich bestimmt er das Gültigsein immer nur im Hin- 
blick auf Wirkliches, für welches diese Inhalte ein Gültigsein bedeu- 
ten. Die Beziehung auf die Erfahrung wird durchgehend aufrechter- 
halten und mathematische Gegenstände, die an sich und nur für sich 
gültig wären, ein Absolutes an Gültigkeit, verneint Kant. Die Be- 
ziehung zum Sein des Wirklichen wird durchgehends gefordert: 
„Wir haben nämlich gesehen: daß alles, was der Verstand aus sich 
selbst erschöpft, ohne es von der Erfahrung zu borgen, das habe er 
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