inneren Frieden. Dieses Bild ist das dritte Blatt der Trilogie: Gottselig—
keit (St. Hieronymus im Gehäus), Grübelei (Melancholie) und unbe—
tümmerte Selbstbehauptung. Am Nordportal des Großmünsters in Zü—
rich ist der Frömmigkeit, einer betenden Frau, der weltliche Mann mit
Jagdspieß und Hifthorn gegenüber gestellt. Der Dürersche Stich das
Beispiel eines Reiters ohne Namen, der einen Begriff versinnbildlicht;
für Abwehr- oder Warnungsszwecke ist er nicht bestimmt.
Die oben erwähnten germanischen Zierscheiben wurden nicht Wohl—
gefallens halber getragen; man traute ihnen wegen des Reisterbildes
eine abwehrende Kraft zu; sie dienten als Zaubermittel, als Amulette.
Noch heute werden Pferde- und Reiterbilder auf Münzen oder als An—
hänger an Uhrenketten und Miedern bevorzugt neben anderen uralten
Abwehrdingen. Der Bildzauber meint: Im Bilde ist etwas vom Wesen
und der Kraft des Dargestellten, das auf den Besitzer übergeht, und wes—
sen Abbild man besitzt, über den hat man Gewalt. Dämonen werden
durch Vorhalten ihres Bildes oder eines Spiegels abgeschreckt bis zu
ihrer Vernichtung; darum behängen sich Geisterbeschwörer und Schatz—
gräber mit Spiegeln. Von diesem Volksglauben her können Reiterbil—
der an Gebäuden ihre Erklärung finden. Namenlose Reiterbilder an
Kirchen und Türmen hat man ausgelegt als Symbole des siegreichen
Christentums, des Sieges des guten über das böse Prinzip. Diese un—
begründeten Annahmen sind schulmäßig geworden und werden noch
lange abgeschrieben werden. Die Möglichkeit eines Hereinspielens
polkstümlicher Vorstellungen wird zu wenig in Erwägung gezogen. In
Ravenna ist hoch oben an der Nordwestseite des Dom-Taufhauses ein
Reiterbild eingesetzt, ohne Rücksicht darauf, ob es von der Straße her
beachtet und erkannt werde; es ist nicht zum Beschauen, sondern zur Ab—
wehr gegen Wettermächte bestimmt. Solche Reiter sind auch dortselbst
am Stadtturm, in Spoleto an der alten Herzogsburg, an der Johan—
neskirche in Schwäbisch-Gmünd, am Turm in Welschingen bei Engen
(Württemberg) und in anderen Orten. Sie sind zusammenzuhalten mit
den Darstellungen der wilden Jagd, die überaus häufig vorkommen, an
der genannten Johanneskirche in Gmund allein dreimal. Oft wird der
wilde Jäger als Anführer des stürmenden Heeres als Reiter gedacht
und sein Abbild, das gegen seine Zerstörungen schützen soll, als Reiter
dargestellt. Der wilde Jäger ist der Tod, dem kein Lebewesen, mag es
flüchtig sein wie die Tiere des Waldes, die Hasen, Rehe, Hirsch und
Wolf, entrinnen kann. Die gleiche Bedeutung hat der Zentaur, dieses
Mischwesen aus Pferd und Reiter, der hornblasend oder Pfeile schie—
ßend, Lanze, Schwert oder Kolben schwingend anstürmt. Wesentlich ist
dem Zentauren die Pferdenatur; das Roß ist Todestier, das Totenroß
der nordischen Mythologie. Die Volksvorstellung sah eine Bestätigung
in der Stelle der Geheimen Offenbarung (6, 8): „Siehe da war ein fal—
bes Roß; sein Reiter heißt der Tod und ihm folgt die Unterwelt“, das
ist das wilde Heer. Es gibt demnach Reiterbilder, die gegen feindliche
Mächte der Natur und der Hölle schützen sollen.
Ein Abwehrbild ist der am ursprünglichen Standort befindliche Rei—
ter an der Nordseite des nördlichen Turmes des Großmünsters in BZü—
rich. Dieses künstlerisch vortreffliche Hochrelief, kaum 1,40 Meter breit
und hoch, ist, von unten und von ferne fast nicht erkennbar, in 22 Meter
Höhe in die Turmwand eingebaut. Es ist ein Werk aus dem ersten
Drittel des dreizehnten Jahrhunderts, dem Bamberger Reiter unge—
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