Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

7. Die Unzüchtigen. Die letzte Gruppe fällt auf durch die Büsten 
in Vorderansicht. So stellt die romanische Kunst gerne, oft nux mit einer 
Reihe von Köpfen, die Zuschauer bei einer Begebenheit daxr. Ich sehe in 
dem Bildwerke dieses Blockes den Tans der Tochter der Herodias, das 
Bild der Ehebrecher und der Unzüchtigen. Herodes umfaßt den Kinn⸗ 
bart, das heißt, er schwört den verhängnisvollen — 
heugt sich ruckwärts, bis die Hände den Boden berühren; so ist Salome 
im Tanz auch im Kreuzgang von Großmünster in Zürich (neben ihr ein 
Geigenspieler) dargestellt, ebenso die namentlich in der französischen 
Romanik häufigen Gaukler. Daun folgt Herodias, die Hand erhebend, 
fordernd; zuletzt ein Flötenspieler. Diese Gruppe läßt keinen Zweifel 
über unsere Inhaltsdeutung übrig. In Schaffhausen ist ein romanisches 
Relief aus der Abtkapelle (2), auf dem Herodias das Haupt des Johan— 
nes fordert. Herodes stützt die Linke auf, das Knie, mit der Rechten um— 
faßt er seinen Kinnbart: er hält sich an seinen Schwur. (Jos. Hecht, Der 
romanische Kirchenbau des Bodenseegebietes 1928, 1. Bd. Tafel 212, 4.) 
Der nördliche Bilderfries: Das Geriächt 
Die südliche Reihe hat dargestellt, was schon im As — Leben 
aus der kirchtichen Gemeinschaft ausgeschlossen ist, die Drau enstehen⸗ 
den, mit einem Worte die Sünde. Die Nordseite schildert das Gericht. 
j. Das freie Feld auf der Abschrägung des ersten Blockes zum Ein— 
gang hin. Wenn die Gläubigen die Kirche nach dem Gottesdienst ver— 
lassen, warten ihrer schon die BVersuchungen des Satans. 
2Der Teufel sitzt in Affengestalt an der Ecke, mit listiger Miene 
zum Eingang blickend, faßt mit der Rechten ans Kinn, Ränke schmie⸗ 
dend, greift einen apfelähnlichen Gegenstand am Boden, macht sich be— 
reit. Es ist der Verführer, der Affe der Welt, wie ihn Schwester Mech⸗ 
sildis nennt (Die Christliche Kunst, Jahrgang 21, S. 167). Wir denken 
an die Gestalten des verführerischen Fürsten bei den klugen und törich⸗ 
ten Jungfrauen in den Münstern von Freiburg und Straßburg. Er 
mag auch als Vorzeichen des Weltgerichts gelten nach 2. Petr. 3, 3: 
Voͤr allem wisset, daß in den letzten Tagen verführerische Spötter kom⸗ 
nen werden, welche.. sagen: Wo ist die Verheißung oder seine Wie— 
derkunft?? Im Gegensatz zur Wiederaufnahme des Büßers an der 
fuͤdlichen Schräge, lockt hier der Teufel zum Austritt aus der Kirche. 
3. Der Antichrist. Im Buche Beliel aus dem vierzehnten Jahr— 
hundert heißt es: „..bis der allerböseste Antichrist kurz vor den Zei⸗— 
len des jüngsten Gerichtes kommt“. Sein Erscheinen ist ein Anzeichen 
des nahenden Weltendes, und oft genug in der Geschichte der Volks— 
pfychosen bestand der Wahn, der „Mensch der Sünde, der Sohn des Ver⸗ 
derbens“ (2. Theff. 2, 8) fei schon da. Daniel, 8, 28, verheißt: „Es wird 
ein König aufftehen, unverschämten Angesichts und schlauer Dinge kun— 
dig. Dessen Macht wird groß werden, aber nicht in seiner Kraft“. Die 
Szene im Bilderfries scheint auf irgend eine literarische Quelle oder 
ein Schauspiel zu verweisen, die komische Darbietung des ernsten Stof⸗ 
fes läßt es vermuten. Auch in der Plastik fängt das dreizehnten Jahr⸗ 
hundert an, den Teufel lächerlich zu machen; warum nicht auch den 
Antichrist? Da er noch nicht nachweisbar erschienen ist, wird er in Vor⸗ 
bereitung, wie ihn der Teufel ausrüstet und unterrichtet, dargestellt. 
Er beugt das Knie vor dem Satan, geht auf, seinen Vorschlag ein: 
Wenn du niederfällst und mich anbetest, will ich dir die ganze Weltherr— 
lchkeit verschaffen. Der Teufel hat ihn gekleidet in das Narrenge— 
wand, die Gugel mit Eselsohren, ihm einen geflochtenen Knüttel als 
königliches Ssepter in die Rechte, die Zauberkugel in die Linke gegeben. 
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