stöcken steigt er empor wie in einem Walde. Mit der Linken hält er das
Jagdhorn an den Mund, die Rechte trägt eine Keule über die Schulter.
Die Erklärung wird erleichtert durch ein jenseits des Fensters gegen
Süden hin eingesetztes, frontal stehendes Pferd. In der Besprechüng
des Kreuzganges ist bereits die schlimme Bedeutung dieses Jägers an—
gedeutet. Hornbläser und Pferd bilden zweifellos eine Einheit, denn
auch in Basel treten sie in gleicher Verleilung auf (nach Wiesmann,
S. 74). Jäger und Pferd, damit ist der Hinweis gegeben auf die wilde
Jagd, als deren Anführer auch Dietrich von Bern auftritt. Am Portal—
werk von St. Zeno in Verona ist Theodorich als hornblasender Reiter
dargestellt, wie er mit seinen Hunden den Hirsch verfolgt. Die Inschrift
dabei spricht: „Törichter König! Er beeilt sich der Hölle Tribut zu zol—
len. Schon steht das Pferd bereit, das der bose Geist sandte. ..“ Bilder
des wilden Jägers finden sich häufig; als Reiter, der ins Horn stößt,
in Mödling, auch als Gebildenbrot (Spies, Bauernkunst, Wien, 1925,
S. 209) zu Fuß und hornblasend mehrmals an der Johanneskirche in
Schwäbisch-Gmünd. Der nicht seltene, ins Horn stoßende Zentaur gehört
dem gleiche Gedankenkreise an: er ist der Tod, der die Menschenleben
verfolgt, dem nicht einmal die allerschnellsten Lebewesen entrinnen.
Derselben Gedankenwelt gehört das vortreffliche Hochrelief au der
Nordseite des nürdlichen Turmes an. Auf einem Streitrosse mit ge—
putzter Mähne sitzt der jugendliche Ritter und erhebt die rechte Hand
wie zum Gruß. Ohne Beglsehung auf irgend einen geschichtlichen Für—
sten (Benennungen wurden erst nachträglich samt Erfindung von
neuen Legenden versucht, nachdem die Bildabficht unbeliebt oder ver—
gessen war) kommt das Reiterbild mancherorts an Fassaden und Tür—
men vor, auch an Choraufgängen innerhalb von Kirchen. Die Regel
hieß: Draußen, auch schon im Laienschiff, das auch zu weltlichen Ver—
sammlungen benützt wurde, ist die Welt, drinnen, besonders im Chor
und Altarraum, das Gnadenreich des Himmels. Draußen das Weltle—
ben, drinnen die Sammlung in Gott. Damit ist die Welt nicht verur—
teilt. Das Mittelalter hat die Schönheit „der lieben Welt“ wohl ver—
standen und hochgeschätzt, das bezeugen Dichtung und Kunst. Die von
Gott erschaffene Natur, alle Wesen der Welt waren Abbilder der gött⸗
lichen Vollkommenheit, Analogien Gottes. Nicht zu verwundern ist es
also, daß der als Mensch, Ritter, König dargestellte Mundus, der Fürst
dieser Welt, die Krone der Schöpfung in Jugend und Schönheit er—
scheint. Auch die Kinder Gottes mögen an ihm seine Freude haben, wie
er hl. Frans von Assisi, der „Bruder“ aller geschaffenen Wesen.
Aber das gleiche naturfrohe Mittelalter dachte eschatologisch, besann
sich auf das, was nachher, was zuletzt sein wird. Dachte an die Kehrfeite,
an die Vergänglichkeit, die Gefahr der Verweltlichung, den Mißbrauch,
die Gottentfremdung. Die schöne Welt ist bös, ihr Fürst ist ein Verder—
ber. Der Reiter, so schön er ist und so —R er grüßt, gehört dem
Gedankenkreis des wilden Jägers au. Eine ih die noch Bauopfer in
Mauern und Torbogen einschloß (Chur, Lindau), bezweckte mit einem
solchen Bilde, zumal hoch oben am Turme, fast unkenntlich, Schutz des
Bebäudes; der Gruß des Reiters, ist eine Abwehrgebärde gegen Stürme
und Gewitter. Von dem uralten, im Mittelalter noch und unter der
Schicht der Aufklärung immer noch lebendigen Naturglauben her be—
trachtet, ist der Reiter der Beschützer des Großmünsters und seiner
hochragenden Türme.
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