Full text: Elektrizitätslehre für Mediziner und Elektrotherapie

8 31. Erregung der sensiblen Nerven. 177 
leitenden Massen nach allen Richtungen aus, und erlangen bei ihrer 
Schwäche nirgends die zur Erregung nötige Dichte. In der Haut 
selbst dagegen sind die Ströme in sehr engen Bahnen zusammen- 
gedrängt, hier ist ihre Dichte am grössten. Sobald sie nun die 
Epidermis durchdrungen haben, treffen die Ströme gerade auf die 
sensiblen Nerven der Kutis. In diesen müssen sie natürlich am leichte- 
sten Erregung bewirken. Man erhält daher die lebhafteste Schmerz- 
erregung ohne Muskelzusammenziehung. 
Besteht die eine Elektrode (an der anderen sind die Verhältnisse 
natürlich dieselben, weshalb wir nur eine einzige betrachten wollen) 
aus einem Drahte, so würden die Ströme auch nur in einem Punkte 
die Epidermis durchbrechen. Wir können das Schweisskanälchen oder 
was sonst den Weg durch die Epidermis für den elektrischen Strom 
darstellt, gleichsam als eine Verlängerung des angelegten Elektroden- 
drahtes ansehen, ähnlich als wäre dieser an seinem Ende nadelförmig 
zugespitzt, und die Spitze durch die Epidermis durchgesteckt. Von 
dieser Spitze aus, d. h. von dem Punkte, wo der Strom eben in das 
Korium eintritt, breiten sich also die Stromeskurven nach allen Rich- 
tungen aus; an diesem Punkte wird daher die Stromdichte sehr gross 
sein und an diesem Punkte wird heftige Schmerzerregung stattfinden. 
Wenden wir aber statt des Drahtes eine Platte an, welche möglichst 
eng an die Oberfläche der Epidermis sich anschliesst, so wird der 
Durchgang der Ströme durch die Epidermis an vielen Punkten statt- 
finden. Nun ist aber der Widerstand der Epidermis so gross, dass 
wir den Widerstand der Induktionsrolle und des sonst im Kreise be- 
findlichen Teiles des Körpers dagegen als unendlich klein ansehen 
können. Die Stromstärke wird daher nur bedingt sein durch den 
Widerstand der Epidermis. An je mehr Punkten der Strom .die 
Epidermis durchbricht, um so grösser ist die absolute Stärke des 
Stromes. Diese wird genau in demselben Maasse wachsen, als der 
Widerstand abnimmt, also ziemlich genau proportional dem Querschnitt 
der angelegten Platte. Da aber die Stromdichte gleich ist dem 
Quotienten aus dem Querschnitt in die Stromstärke (8 40), so bleibt, 
wie man sieht, die Stromdichte ganz ungeändert. An jedem ein- 
zelnen Punkte aber, an welchem der Strom die Epidermis durch- 
bricht, wird also die Stromdichte dieselbe Grösse erlangen, als vorher 
bei Anwendung eines Drahtes als Elektrode an diesem einen Punkte 
(vgl. $ 40). Und an jedem dieser Punkte wird der Strom unmittelbar 
bei seinem Eintritt in das Korium eine sehr grosse Dichte haben, von 
da aber sich sofort nach allen Richtungen ausbreiten, derart, dass an 
Rosenthal u. Bernhardt, Elektrizitätslehre. TI. Auf. 12 
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