‚186 Polare Methode. Kap. XII.
einer andern Stelle des Körpers, so hat man es, vom physiologischen
Standpunkt aus betrachtet, mit viel einfacheren Verhältnissen zu tun.
Um dies an einem Beispiel zu erläutern, wollen wir annehmen,
wir setzen eine kleine knopfförmige Elektrode auf die Haut unmittel-
bar unter dem rechten Porus acustieus externus in dem dort 'vor-
handenen Grübchen der Ohrmuschel mit kräftigem Druck auf, die
andere, grössere Elektrode am Nacken unterhalb der Protuberantia occi-
pitalis externa. Beide Elektroden seien mit angefeuchteten Schwämmen
überzogen und die Hautstellen gleichfalls gut durchfeuchtet, um den
Widerstand der Epidermis möglichst zu verringern und das Eindringen
des Stroms in die tiefern Teile zu erleichtern. Nach dem, was in
den Paragraphen 45 und 46 über die Verteilung der Ströme in un-
regelmässigen Leitern und in den vorhergehenden Paragraphen über
die Erregung der Muskeln durch Induktionsströme gesagt worden ist,
wissen wir, dass der ganze Kopf, ja sogar der ganze Körper von
Stromkurven erfüllt sein wird. Die Ströme werden in der rechten
Kopfhälfte etwas stärker sein als in der linken, noch schwächer im
Hals und Rumpf. Für die Wirkung auf die Nerven kommt aber nur
die Stromdichte in Betracht. Diese wird am grössten sein dicht
unter der kleinen Elektrode, viel geringer (und zwar im umgekehrten
Verhältniss ihrer Oberflächen) an der andern Elektrode und noch
kleiner an allen andern Stellen. Nun findet sich unmittelbar unter
der kleinen Elektrode der N. facialis dexter. Wählen wir die Strom-
stärke so, dass sie gerade ausreicht, um auf diesen eine Wirkung aus-
zuüben, so wird an den Nerven, welche der andern Elektrode zunächst
liegen, keine Wirkung auftreten, noch weniger an andern Stellen des
Kopfes oder gar des Rumpfes. Wir müssten schon sehr viel stärkere
Ströme anwenden, wenn an einer dieser Stellen die Stromdichte hin-
reichend gross werden sollte, um auf sie zu wirken. Auch der N.
facialis wird nur an einer begrenzten Stelle von hinreichend dichten
Strömen getroffen. Der Nerv steht also nur unter der Ein-
wirkung einer einzigen Elektrode.
Man hat diese, durch die Verhältnisse notwendig bedingte Art
der Einwirkung auf die Nerven die polare Methode genannt; noch
bezeichnender wäre unipolare und die von den Physiologen gewöhn-
lich am freipräparirten Nerven geübte müsste dann als bipolare
bezeichnet werden. Doch kommt es nicht auf den Namen an, sondern
nur auf die richtige Auffassung des Sachverhalts, Beachtet man
diesen, so ergibt sich vollständige Uebereinstimmung in den Ergeb-
nissen beider Methoden.