$ 8. Polarisation. 189
man auch die Stromstärke kennt, so hat man nur das eine der Ele-
mente, von denen die Wirkung abhängt. Das Entscheidende ist ja
nicht die Stromstärke, sondern die Stromdichte, d. h. die Strom-
stärke dividirt durch den Querschnitt. Bei Angaben über therapeu-
tische Versuche sollte daher neben der Stromstärke immer auch die
Grösse der wirksamen Elektrode notirt werden.
Wenn man auf diese Weise die Stromstärke beobachtet, so wird
man finden, dass dieselbe nicht konstant bleibt. Dies kann von einer
Inkonstanz der Kette herrühren, da ja vielfach Ketten angewandt
werden, welche nicht absolut konstant sind. Viel grösseren Einfluss
aber hat die Polarisation und die Veränderung in den Widerständen
der tierischen Teile.
Die Polarisation hat ihren Sitz zum grössten Teil an den Elek-
troden, da wo der Strom von metallischen Leitungsteilen zu flüssigen
Leitern übergeht. Wie wir oben gesehen haben, bekleidet man die
metallischen Enden der Elektroden mit angefeuchteten Schwämmen
oder ähnlichen Stoffen, um ein inniges Anschmiegen an die Haut zu
bewirken und diese feucht zu erhalten. Um diesen Teil der Polarisa-
tion zu vermeiden, hat man unpolarisirbare Elektroden konstruirt,
ganz nach dem Muster der in $ 28 beschriebenen und abgebildeten.
Man leitet den Strom durch amalgamirtes Zink in Zinksulfatlösung,
welche in Röhren enthalten ist und in dem untern Teil der Röhren
an Kochsalzlösung grenzt. Aber auch in der Epidermis und den
andern Körperteilen, durch welche der Strom geht, entsteht die soge-
nannte innere Polarisation, von welcher am Schlusse des $ 28 die
Rede war, und diese kann durch keine Mittel vermieden werden.
Auch wirkliche Veränderungen des Widerstands kommen als Folgen
des Stromdurchgangs zu Stande. Häufig nimmt der Widerstand ab,
und diese Abnahme kompensirt ganz oder teilweise die durch die
Polarisation bedingte Stromschwächung.
Diese verwickelten Verhältnisse erschweren sehr die Bestimmung
der Widerstände, welche bei der gewöhnlichen Anwendungsweise des
konstanten Stroms in der Elektrotherapie etwa vorkommen, abgesehen
davon, dass diese, wie wir schon gesehen haben, von der Grösse der
Elektroden, dem Grad der Durchfeuchtung der Epidermis und, wenn
auch in viel geringerem Grade, von der Entfernung der Elektroden
von einander abhängen. Die älteren Angaben über den Widerstand
des Körpers haben wegen Nichtbeachtung aller dieser Umstände gar
keinen Wert. Ebensowenig kann man mit den Angaben über den
spezifischen Widerstand der Gewebe etwas anfangen, da wir es immer