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Kapitel XV.
Von der Untersuchungsmethode der motorischen Nerven
und der Muskeln mittels des galvanischen Stromes.
$ 106. Bevor wir jetzt an die Untersuchung der Erregbarkeit
eines motorischen Nerven durch den galvanischen (sogenannten
konstanten Strom) gehen, wird es gut sein, sich die Verhältnisse
kurz ins Gedächtniss zurückzurufen, wie sie physiologisch an dem
direkt den Elektroden eines konstanten Stromes überbrückten Nerven
zur Beobachtung kommen. Liegt ein Nerv so über den Elektroden,
dass sein peripherisches, dem Muskel zugewandtes Ende dem positiven
Pol (der Anode) aufliegt und ein mehr centralwärts gelegenes Stück
dem negativen Pol (der Kathode), so nennt man bekanntlich den
durch den Nerven. fliessenden Strom einen aufsteigenden; ist das Um-
gekehrie der Fall, so geht der Strom in absteigender Richtung dur‘h
den Nerven. An dem Orte, wo der Nerv der Anode oder der Kathode
aufruht, tritt in demselben eine eigentümliche Veränderung seines
Zustandes ein, der mit dem Namen des Anelektrotonus, beziehungs-
weise Katelektrotonus belegt wird. Letzterer Zustand besteht im
Wesentlichen in einer Erhöhung der Erregbarkeit der katelektrotoni-
sirten Stelle (sodass z. B. schon bei grösserem Rollenabstand der
sekundären Spirale von dem unter dem Einfluss der Kathode stehen-
den Punkte aus eine Muskelzuckung erzielt werden kann, als vorher
von derselben Stelle aus, ehe dieselbe durch das Anlegen der Kathode
katelektrotonisirt war), der Anelektrotonus dagegen in einer Herab-
setzung der Erregbarkeit der unter dem Einfluss der Anode (des
positiven Pols) stehenden Nervenstrecke.
Dazu kommt, dass bei einer gewissen Stromstärke die anelek-
trotonisirte Stelle für Reize, die vom Centrum herkommen, schlechter
leitend resp. leitungsunfähig wird, während das Umgekehrte für die
katelektrotonisirte Stelle Statt hat. Nun löst aber ein und derselbe