Kapitel X VI.
Von den pathologischen elektrodiagnostischen Befunden
an den motorischen Nerven und den Muskeln.
& 113. Bei der Wichtigkeit der elekirodiagnostischen Unter-
suchungsmethode der motorischen Nerven und der Muskeln für die
Erkennung einer grossen Zahl von Nervenkrankheiten gehen wir
gleich an dieser Stelle dazu über, das Wichtigste der hier zur
Beobachtung kommenden pathologischen Verhältnisse im Zusam-
menhange mitzuteilen.
Seit lange schon ist die Wissenschaft über das Dogma hinweg-
gegangen, dass im elektrischen Verhalten derjenigen gelähmten moto-
rischen Gebilde, welche in Folge zentraler (vorwiegend cerebraler)
Läsionen untätig sind, keine Veränderungen eintreten, dass dieses aber
bei sogenannten peripherischen Lähmungen ausnahmslos der Fall sei.
Nach beiden Richtungen hin haben die Untersuchungsresultate der
neueren Zeit die Anschauungen umgeformt.
Was zunächst die peripherischen Lähmungen betrifft (d. h.
Unterbrechungen der Willensleitung an einem motorischen oder ge-
mischten Nerven nach seinem Austritt aus dem Hirn oder Rücken-
mark), so gibt es nicht wenige und von den zuverlässigsten Beobach-
tern konstatirte Beispiele, dass sich an diesen Nerven auch bei exak-
tester Untersuchung weder für die Reizung mit dem faradischen noch
mit dein galvanischen Strom irgend welche Differenzen mit den Ergeb-
nisscn der Reizung an der gesunden Seite auffinden lassen, wohl ver-
standen nur dann, wenn der elektrische Reiz unterhalb d. h. peri-
pheriewärts von der Läsionsstelle angreift. Meist nämlich ist auch
bei derartigen, ihrem Verlauf und Ausgang nach als „leichte“ zu
bezeichnenden Lähmungen (vgl. später) der oberhalb der Läsions-
stelle angebrachte elektrische Reiz ebenso wie der Willensreiz unfähig,
die durch die Läsion gesetzte Hemmung der Leitung zu durchbrechen,