$ 114, 115. Qualitative Veränderungen der Erregbarkeit. 285
der Läsion von einigen Beobachtern eine Steigerung der indirekten
wie direkten Erregbarkeit des später total gelähmten Nervmuskel-
gebiets beobachtet worden. Indessen kommt doch diese rein quanti-
tative Steigerung der Erregbarkeit bei einer gewissen Anzahl „leichter“
peripherischer Lähmungen über Tage und Wochen hinaus selbstständig
vor, ohne dass diese Uebererregbarkeit in Unerregbarkeit oder irgend-
wie bedeutender Abnahme derselben übergegangen wäre ®*.
Abgesehen von den genannten Affektionen kann man die einfache
Steigerung der elektrischen Erregbarkeit bei manchen Fällen von
cerebralen Hemiplegien, von halbseitiger Chorea, vielleicht auch in
frühen Stadien mancher Fälle von progressiver Muskelatrophie 3 finden,
manchmal auch wohl bei Tabes dorsalis und wahrer Entzündung peri-
pherischer Nerven. Immer gehen die Erscheinungen erhöhter Erregbarkeit
für den Induktionsstrom wie für den konstanten parallel; dennoch
gibt es einige wohl beobachtete Fälle in der Litteratur, in denen bei
selbst herabgesetzter Erregbarkeit der Nerven für den Induktionsstrom
dieselbe für den galvanischen erhalten war.
$ 115. Neben der eben besprochenen Erhöhung und der geschil-
derten Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit von Nerv und
Muskel gibt es nun aber Veränderungen, welche nicht konstant
während der ganzen Dauer der Erkrankung eines Nerv-Muskelgebiets
beobachtet werden, sondern nach eigentümlichen, im Ganzen und
Grossen unveränderlichen Gesetzen ablaufen. Nerv und Muskel
verhalten sich den uns zu Gebote stehenden elektrischen Reizen
des Induktions- und des konstanten Stroms gegenüber zu verschie-
denen Zeiten der Krankheit verschieden: nicht allein die Grösse
und Aussiebigkeit, sondern auch die Art und Weise, die Qualität
der erzielten Reaktionen ist eine differente, von der Norm abweichende
geworden.
Als Paradigma derartiger Erregbarkeitsanomalien kann man die
Erscheinungen anführen, wie sie bei schweren, durch gröbere Ver-
letzung oder intensive rheumatische Prozesse bedingten Lähmungen
peripherischer motorischer Nerven beobachtet werden. Nicht
oft genug kann man gerade bei dem Studium der hier in Betracht
kommenden Erregbarkeitsveränderungen betonen, dass der Nerv und
die Muskeln jeder Teil für sich gesondert der Prüfung mit
beiden Stromesarten zu unterwerfen ist, will man nicht die gröb-
sten Irrtümer begehen.
Was nun zunächst die Erregbarkeitsverhältnisse des lädirten