$ 115. Qualitative Erregbarkeitsveränderungen etc. 287
Die allmählich sich auch am peripherischen Ende wieder anfindende
elektrische Erregbarkeit vermehrt sich ganz allmählich, bleibt aber
selbst dann, wenn, wie oben gezeigt, schon scheinbar vollkommene
Heilung eingetreten ist, als Zeichen noch immer nicht ganz vollendeter
Restitution der Nerven gegen die Norm vermindert. Der früher als
absolut vorhanden angenommene Parallelismus zwischen den Erreg-
barkeitsverhältnissen des lädirten Nerven für den faradischen und kon-
stanten Strom kann in dieser absoluten Weise nach den sich in neuerer
und neuester Zeit mehrenden Beobachtungen nicht mehr aufreclıt er-
halten werden. .Es gibt Fälle, wo der regenerirte Nerv noch nicht auf
den faradischen, schon aber auf den galvanischen Strom reagirt, ja es
können sogar in dem Sinne qualitative Aenderungen eintreten, dass
die An$Sz grösser als KaSz und KaOz grösser als AOz werden kann.
Die hier erwähnten Verhältnisse mögen als Ausnahmen angesehen
werden, allein sie sind vorhanden und beruhen nicht auf Bevbach-
tungsfehlern, insofern diese vom Nerven aus erzeugten Zuckungen
blitzartig und schnell ablaufen und schon bei geringeren Stromstärken
zu erzielen sind, wie bei direkter Reizung der Muskelsubstanz, sa dass
rischen Nerven überein. Dieser Autor lagerte einen Froscheruralis vermöge einer
besonderen Vorrichtung so, dass ein bestimmtes Stück der Einwirkung eines Kohlen-
säurestroms temporär ausgesetzt werden konnte. Dieses Stück des Nerven erfuhr
alsdann eine nicht unerhebliche Abnahme seiner ursprünglichen, vorher genau fest-
gestellten Erregbarkeit, während die Erregbarkeit einer mehr centralwärts gelegenen,
vom Kohlensäurestrom nicht berührten Nervenpartie unverändert blieb, ebenso wie
der Reizerfoig, obschon sich dieser Reiz durch die narkotisirte und selbst erregungs-
unfähig gewordene Nervenstreeke fortsetzen musste. Nach den neuesten Versuchen
von Luchsinger und Szpilman’’ aber sind diese von Grünhagen gefundenen
Tatsachen als blosse Uebergänge vom Verhalten eines normalen zu dem eines
narkotisirten Nerven zu betrachten. Nach ihnen scheint es bewiesen, dass die
Erregung eines Nervenquerschnitts in den nächst folgenden eine stärkere Reizung
auslöst, als wie jener selbst erfuhr (lawinenartiges Anschwellen der nervösen
Erregung).
Nimmt aber die Erregbarkeit eines Nerven stark ab, so wird nun umgekehrt
die Reizung nächstfolgender Querschnitte immer schwächer ausfallen: ein kräftiger
Reiz wird nahe dem Muskel wohl noch eine Wirkung hervorrufen können, aber
nieht mehr im Stande sein, eine lange Kette matter Elemente zu durchschlagen.
Die Erregung wird in der Narkose von Element zu Element abnehmen; eine Reizung
tief unten wird auf dem kurzen Wege zum Muskel viel weniger an Intensität ein-
büssen, während eine höher oben zugeführte Reizung auf dem langen Wege ge-
ringerer Beweglichkeit schliesslich spurlos erlischt. Im Anfang der Narkose aber
wird die von Grünhagen beobachtete Erscheinung auftreten, wenn die Erregbar-
keit zwar schon sinkt, aber doch noch nicht so sehr, dass das lawinenartige Phä-
nomen ganz schwände.