4
$ 116. Qualitative Erregbarkeitsveränderungen. 289
Die ASz tritt relativ früh ein, tritt der KaSz immer näher und wird
in nicht wenigen Fällen bei derselben Stromstärke wie diese zur Er-
scheinung gebracht: Umgekehrt tritt die am normalen Muskel erst spät
hervorzurufende KaOz mehr in den Vordergrund, sie kann sogar eher
auszulösen sein, als die AOz, ja es kann, wenn auch nicht so häufig,
wie manche Schriftsteller annehmen, die sogenannte Normalformel
Brenner’s so umgeändert werden, dass ASz zuerst, dann erst KaSz
(oder beide bei derselben Stromstärke), dann Ka0Oz, schliesslich AOz
eintreten. Die Möglichkeit des Verschwindens der Oeffnungszuckungen,
wie sie einige Autoren behaupten, wird von Andern (Leegard"))
bestritten: nach Letzterem ist gerade der Umstand, dass bei ausge-
prägter Uebererregbarkeit der Muskeln kräftige Oeffnungszuckungen bei
fast denselben Stromstärken auftreten, wie Schliessungszuckungen, als
ein wesentliches Symptom dieser Uebererregbarkeit anzusehen.
Nur kurz wollen wir an dieser Stelle den Einwand Vulpian’s”
(dem sich Goldschmidt”? in seiner 1877 zu Strassburg veröffentlich-
ten Dissertation anschliesst) berühren, dass sich die Entartungsreaktion
am entblössten Muskel und Nerven nicht nachweisen lasse: teils haben
wir selbst schon im Jahre 1875! das Gegenteil bewiesen, teils ist in
einer besonderen von Bastelberger”® unternommenen Arbeit die
Unhaltbarkeit dieser Ansicht klargelegt worden.
Allmählich sinkt nun diese Uebererregbarkeit wieder ab und zwar
unter die der gesunden Seite: dabei kann die Zusammenziehung noch
langgezogen und träge sein und die ASz noch ihre hervorragende Stel-
lung behaupten; die KaOz tritt aber jetzt jedenfalls zurück, des-
gleichen auch die AOz, erst später kehren diese bei der Oeffnung des
Stromes zu erzielenden Reaktionen im Vergleich zu den Schliessungs-
zuckungen wieder: ja in unheilbaren Fällen (bei schliesslich voll-
kommen ausgebildeter Degeneration) ist die Möglichkeit der Hervor-
rufung einer schwachen und trägen ASz das letzte Zeichen der Reak-
tion des der bindegewebigen Transformation anheimfallenden Muskels.
Während, wie wir oben (Seite 280) gezeigt haben, Jolly neuer-
dings die Wichtigkeit des Unterschieds der ASz und KaSz bei direkter
Muskelreizung leugnend das Hauptgewicht auf die „Trägheit“ der
Zuckungen legt und in dieser fast allein das Charakteristikum der
Entartungsreaktion sieht, hat neuerdings Vigouroux”® in einigen
Fällen von Spinal-Affektionen mit degenerativer Atrophie den positiven
Pol des Oeffnungsinduktionsstroms der sekundären Spirale noch wirk-
sam gefunden, wo es der negative nicht mehr war. Er schliesst
hieraus, dass der namentlich in Deutschland so oft hervorgehobene
Rosenthal u. Bernhardt, Elektrizitätslehre. TI. Aufl,
19