96 Faradische Entartungsreaktion. Kap. XVI
aber in beiden Formen der Lähmung, träge, langsam ablaufende
Zuckungen auslöst. Nun ist aber einigemal von Erb®, Remak®,
Kast°! und Anderen ®?, sowohl bei (schweren) peripherischen, als auch
bei poliomyelitischen Lähmungen eine auch durch den faradischen
Reiz zu erzielende langsame, längere Zeit bestehende Zuckung beob-
achtet und als „faradische Entartungsreaktion« (Remak) be-
zeichnet worden, welche sowohl bei direkter, wie indirekter Reizung
in die Erscheinung treten kann. Nach Kast befindet sich der Muskel,
wenn diese Reaktion zu Tage tritt, in einem Zustand, wo er in Folge
seiner pathologisch veränderten Struktur auf kurz dauernde Ströme
nicht aufgehört hat, oder schon wieder anfängt (im Stadium der
Regeneration) zu reagiren, nur dass eben keine schnellen, sondern
träge Zuckungen resultiren; die faradische Entartungsreaktion steht
nach diesem Autor daher in der Mitte zwischen der vollkommenen
und der von Erb und Bernhardt beschriebenen Mittelform der Ent-
artungsreaktion. Vielleicht kann man an dieser Stelle auch derjenigen
Modifikationen der Muskelreaktion auf den faradischen Reiz Erwähnung
tun, welche Seeligmüller® und Bernhardt®% bei jener Krankheit
beobachteten, welche von einem von uns unter dem Namen der
»„Muskelsteifigkeit und Muskelhypertrophie“ als eine spezifische Er-
krankung des Muskelgewebes beschrieben worden ist. Bernhardt
erinnerte dabei an die analogen, von Ranvier® mitgeteilten Ver-
hältnisse der ebenfalls gegenüber den weissen in träger Weise dem
faradischen Reiz antwortenden roten Kaninchenmuskeln. Weiter
beobachtete Bernhardt‘ jenes Verhalten der Muskeln gegen den
faradischen Reiz in Zuständen sogenannter lokaler Asphyxie der
Extremitäten: die kleinen mit arteriellem Blut nur mangelhaft ver-
sorgten Handmuskeln reagirten in träger Weise auf den Induktions-
strom, ein Verhalten, wie es neuerdings bei demselben Leiden auch
von M. Weiss?! in Prag konstatirt worden ist.
Noch seltener finden sich in der Litteratur Beobachtungen, aus
denen hervorgeht, dass auch bei indirekter Reizung eines Nerven
durch den galvanischen Strom der Muskel mit einer trägen, auch
nach der Oeffnung des Stroms noch eine kurze Zeit bestehen bleiben-
den Zuckung antwortet (direkt gereizt konnte er nur durch AS,
indirekt auch bei KaS zur Zusammenziehung gebracht werden); dies
geht z. B. aus einer Beobachtung Vierordt’s® hervor, der ein solches
Vorkommen bei einer Neuritis des rechten N. ulnaris beschrieb.
In jüngster Zeit hat Erb !0' diese bisher so selten beobachtete
Reaktion in einem Falle chronisch-atrophischer Spinallähmung bei