300 Konvulsible Reaktion. — Lückenreaktion. Kap. XVI.
frühen Zeiten der Krankheit) der Erregbarkeit beobachtet: neuere Er-
fahrungen bewährter Autoren !%? (denen auch wir uns nach den Er-
fahrungen der letzten Jahre anschliessen) scheinen es indess zweifellos
zu machen, dass auch hier, wenn auch nicht häufig, an einzelnen
direkt gereizten Muskeln bei der Prüfung mit dem konstanten Strom
sich die Entartungsreaktion zeigen kann. (Vgl. die Krankengeschichten
am Ende.)
Anmerkung. Bei einem ganz neuerdings von Bernhardt !% beobachteten
Fall von progressiver Muskelatrophie sah derselbe im Bereich des erkrankten linken
Ulnarisgebiets insofern ein, wie es scheint, recht seltenes Vorkommen elektrischer
Erregbarkeitsanomalien, als bei indirekter sowohl wie direkter faradischer Reizung
eine prompte (wenn nicht gar bessere) Reaktion eintrat, wie auf der vorläufig
gesund gebliebenen anderen Seite, und als bei der Prüfung mit dem konstanten
Strom sich eine sowohl für den Nerven, als für die Muskeln deutlich (durch
galvanometrische Beobachtungen kontrolirte) erhöhte Krregbarkeit im Vergleich mit
der gesunden Seite vorfand. Dabei waltete die Eigentümlichkeit ob, dass die so-
genannte Brenner’sche Normalformel fast ganz umgekehrt war: es erfolgten der
Reihe nach zuerst eine ASz, sodann Ka0z, dann erst AOz und Ka (auch wohl
die KaSz vor der A0z). Sowohl bei indirekter, wie direkter Reizung erfolgten die
Zuckungen prompt und blitzartig. Aehnliche Beobachtungen finden sich sehr ver-
einzelt in der Litteratur zerstreut von Eisenlohr, Leegard,-Erb!"; ob es sich
beim Vorkommen derartiger abnormer Reaktionen um ganz besondere und eigen-
tümliche Veränderungen an Nerven und Muskeln handelt, oder ob nur abnorm
veränderte Leitungsverhältnisse vorliegen, wird weiteren Untersuchungen zu ent-
scheiden vorbehalten bleiben müssen. Dass es sich bei der hier kurz zu erwähnen-
den „konvulsiblen Reaktion“ Benedict’s" (es traten einige Zeit nach dem
Fliessen eines Stromes lebhaftere Zuekungen, als ganz zu Anfang ein, bis zum
Auftreten von konvulsivischen Zusammenziehungen) wahrscheinlich um den während
des Fliessens des Stroms allmählich verminderten Leitungswiderstand und dadurch
bedingten Anwachs der Stromstärke handelt, ist sehr wahrscheinlich. Umgekehrt
beschreibt, was wir hier gleich anfügen wollen, derselbe Autor eine sogenannte
„Lückenreaktion“, welche z. B. bei der progressiven Muskelatrophie sich so
darstellt, dass ein anfangs bei einer gewissen Stromstärke gut reagirender Nerv
nach kurzer Zeit auf eben diese Stromstärke nicht mehr reagirt, sondern erst bei
weiterer Steigerung derselben (was sich wiederholen kann) wieder in Erregung ver-
setzt wird (leichte Erschöpf barkeit).
Anhangsweise wollen wir hier noch auf einige besondere Verhält-
nisse die Aufmerksamkeit richten, welche teils häufiger, ja sogar gewöhn-
lich beobachtet, teils selten vorkommend den weniger mit diesen
Dingen Vertrauten in Verwirrung zu setzen geeignet sind. So erinnern
wir zunächst an die Eigentümlichkeit in der Verteilung der Lähmungs-
und Atrophiezustände bei der Bleilähmung, der spinalen Kinderlähmung,
der akuten atrophischen Spinallähmung Erwachsener. An einem und
demselben Gliede, ja sogar innerhalb desselben Nervengebietes können