322 Zuckungsgesetz der sensiblen Nerven. Kap. XV.
durch eine Verletzung ihrer Hautdecke beraubt worden waren. Je
nach der Stärke des Stroms kann sich diese elektromuskuläre Sensi-
bilität zu einer wirklichen elektromuskulären Schmerzempfindung
steigern. Es ist hier nicht der Ort, auf die Frage näher einzugehen,
ob dem Muskel sensible Fasern, die in ihm endigen, zukommen oder
ob derartige Nerven ihn nur durchziehen, um in den Fascien, resp. in
der den Muskel bedeckenden Haut zu enden, genug, dass durch die
auf elektrischem Wege (direkt oder indirekt) hervorgebrachte Muskel-
zusammenziehung das beschriebene eigentümliche Gefühl hervorgerufen
werden kann.
Zum Schluss sei hier noch erwähnt, dass Pflüger*° wie für die
motorischen Nerven, so auch für die sensiblen sein Zuckungs-
gesetz gültig gefunden hat. Gemäss der zentralen Lage der reagi-
renden Organe (des Gehirns und des Rückenmarks) im Gegensatz zu
der peripherischen Lage der Endorgane motorischer Nerven (der Mus-
keln) tritt aber z. B. bei sehr starken aufsteigenden Strömen nur
bei Schlieseung des Stromes Empfindung (oder reflektorische
Zuckung) ein, nicht bei der Oeffnung, und umgekehrt erfolgen die
Reaktionen bei der absteigenden Richtung. Schwache Ströme bringen
nur bei Stromesschluss, mittelstarke bei beliebiger Stromesrichtung
Oeffnungs- sowohl wie Schlussreflexzuckungen hervor. Wir haben
oben schon gesehen, wie der elektrische Pinsel, wenn er mit dem
negativen Pol eines konstanten Stromes verbunden wird, die Haut-
nerven unvergleichlich viel schneller und intensiver erregt, als wenn
er mit der Anode verbunden war.
Prüft man (nach Erb '3%) mit dem galvanischen Strom die Reak-
tion sensibler Nerven am lebenden Menschen, so findet man nicht
allein an der Ansatzstelle der differenten Elektrode, sondern auch im
Verbreitungsbezirk der sensiblen Hautnerven des unter der Elektrode
befindlichen Nervenstammes, dass die Ka vorwiegend Schliessungs-,
die A vorwiegend Oeffnungsreaktion gibt und dass die erregende Wir-
kung der Ka bedeutend überwiegt. Zuerst tritt KaS-Empfindung ein
(an Intensität während KaD abnehmend), dann eine schwächere AU-
Empfindung, ihr folgt die AS-Sensation, erst bei noch gesteigerter
Stromstärke in eme AD-Empfindung übergehend: erst spät tritt nach
KaD eine Ka0-Sensation ein.
Nadjeschda Suslowa'*' hat in einer Arbeit über die Verän-
derungen der Hautgefühle unter dem Einfluss elektrischer Reizung
(des konstanten Stromes) gefunden, dass das Gefühl der Kälte bei der
Berührung der Haut mit Eis an der Kathode deutlicher war, als an