$ 147. Antiparalytische, antineuralgische, antispastische Wirk. d. konst. Stroms. 355
Ist ein Muskel ermüdet, seine Erregbarkeit vermindert, so kann
man, wie Heidenhain'!®! zuerst genauer auseinandergesetzt hat,
durch einen konstanten Strom (besonders wenn seine Richtung eine
aufsteigende ist) eine nicht unbedeutende „erfrischende“ Einwirkung
auf den Muskel ausüben, Wie bei einem längere Zeit von einem
galvanischen Strom durchflossenen Nerven reagirt auch der von einem
galvanischen Strom in dieser Weise durchflossene Muskel nur auf die
Oeffnung dieses und die Schliessung des entgegengesetzt gerichteten.
Zu diesen der Ermüdung und Erschöpfung der motorischen
Nerven und der Muskeln entgegen wirkenden Einflüssen des kon-
stanten Stromes, also den direkt antiparalytischen Wirkungen,
gesellen sich nun noch andere für die Therapie ungemein wertvolle
Leistungen desselben, die er in Bezug auf die Modifikation ab-
normer Verhältnisse der sensiblen Nerven entfalten kann.
Hier ist es besonders die polare Methode (auf ihre Bedeutung für
die Therapie wird alsbald unten ausführlicher eingegangen werden),
welche speziell in Anwendung gezogen wird. Die Anode, der positive
Pol, setzt die Erregbarkeit einer von ihm beeinflussten Nervenstrecke
herab und vermindert ihre Leitungsfähigkeit: diese Wirkung wird bei
den mannigfachen schmerzhaften, neuralgischen Affektionen direkt
durch das Ansetzen des positiven Pols auf die schmerzende Stelle, auf
den Druck- (schmerz-) Punkt zu erzielen versucht. Wünscht man hier
also durch die Einwirkung der Anode direkt schmerzstillend und
beruhigend zu wirken, so wird in anderer, mehr indirekter Weise eine
krampfstillende, antispastische Wirkung dadurch zu erreichen ge-
sucht, dass man bei lokalen sowohl wie allgemeinen Krampfzuständen
sich des Vorhandenseins etwaiger Druckschmerzpunkte zu versichern
sucht, um auf diese die beruhigende Anode einwirken zu lassen.
Es versteht sich von selbst, dass man bei lokal abgegrenzten, im
Bereich ganz bestimmter Nerven sich abspielenden Krampfzuständen
die Anode auch direkt auf den Nerv oder diejenigen Teile, welche
man als die Ausgangspunkte der pathologischen Erregungen ansehen
zu müssen glaubt, appliziren kann.
Im Gegensatz zu den beruhigenden Einwirkungen der Anode kann
die Kathode, besonders in Gestalt des elektrischen Pinsels, als ein
sehr energisches Erregungsmittel der sensiblen Nerven in Fällen
von Anästhesien peripherischer und zentraler Natur in Anwendung
gezogen werden: desgleichen spielen Anode wie Kathode, je nachdem
es sich um Beseitigung abnormer Reizzustände oder um Hervorrufung
von Erregung in krankhaft erschöpften Organen handelt, ganz beson-
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