$ 155. Zentrale Behandlung hemiplegischer Zustände. 375
genehmen Wirkungen die sogenannte Galvanisation des Hirns auf
ganz gesunde Menschen hervorbringen kann (S. 328), so liegt es auf
der Hand, dass man in der Anwendung eines so mächtigen
Mittels auf ein erkranktes Gehirn die grösstmöglichste
Vorsicht und Sorgfalt wird anwenden müssen. Daher be-
diene man sich nur schwacher Ströme und der möglichst
feinsten Abstufungsmittel: der Gebrauch des Rheostaten
und Galvanoskops ist unerlässlich.
Nur sehr langsam und allmählich steige man während der Sitzung
mit der Stromstärke”), Stromeswendungen sind durchaus zu vermeiden,
ebenso plötzliches Abheben oder Verschieben der Elektroden: wieder
mit Hilfe des Rheostaten bringt man nach Beendigung der Sitzung
sanz allmählich das kranke Gehirn aus dem Einfluss des galvanischen
Stroms heraus. Die Meinungen der Autoren über den Nutzen einer
galvanischen Behandlung bei materiellen Hirnläsionen (wenigstens bei
denen, welche Hemiplegie im Gefolge haben), sind sehr geteilt: exakte
Untersuchungen und Beobachtungen sind schwer anzustellen, und leider
scheinen die seither bekannt gegebenen Resultate noch sehr von den
individuellen Neigungen der einzelnen Elektrotherapeuten beeinflusst.
Was die Art und Weise der Applikation der Elektroden, die An-
wendung der polaren Methode oder einer bestimmten Stromesrichtung
entspricht, so hat man bis in die neueste Zeit hinein die stabile
(d. h. bei unverrückbar feststehenden Elektroden vorzunehmende)
Durchströmung des Kopfes entweder von der Stirn nach dem Nacken
zu auf der Seite des Herdes (ohne besondere Berücksichtigung der
Stromrichtung) oder eine quere Durchleitung entweder durch die
Proc. mastoidei, wenn der Herd mehr in den hinteren Partien des
Hirns, oder durch die Schläfengegend, wenn er nach vorn gelegen
vermutet wurde, empfohlen. Nach dem, was oben (S. 327) über die
neuesten Untersuchungen speziell Löwenfeld’s'" mitgeteilt wurde,
hätte man, je nachdem man die Blutfülle im Innern des Schädels zu
vermehren oder zu vermindern beabsichtigt, den aufsteigenden (Anode
Nacken — Kathode Stirn) oder den absteigenden Strom anzuwenden,
jedenfalls aber bei umschriebenem Sitz der Erkrankung diejenige
*) Die Stromstärke ist nach den Seite 226 gemachten Angaben zu bestimmen.
Die Begriffe „schwacher, starker Strom“ sind für den Elektrotherapeuten relative
je nach den Regionen des Körpers, an welchen der Strom applizirt wird: für die
anisation des Gehirns und der Sinnesorgane würde ein Strom von 1—5 Milli-
Galv
indessen hat man auch hier die oft so eminent verschiedenen
ampere ausreichen;
individuellen Verhältnisse der Empfindlichkeit zu berücksichtigen.