Bleilähmungen. Kap. XXL.
dem Urteil nicht weniger und gewichtiger. Autoren in gleicher Weise
auf eine Erkrankung der grauen Vordersäulen des Marks, speziell der
multipolaren grossen, motorisch-trophischen Ganglienzellen in ihnen
zurückzuführen sind. Zwar ist die Pathologie der Bleilähmungen
auch heute trotz aller Sorgfalt der Beobachter nicht so weit aufge-
klärt, dass die Behauptung, es bei ihr mit einer Rückenmarksaffek-
tion im obigen Sinne zu tun zu haben, allgemeine Giltigkeit erlangt
hätte; nicht wenige Autoren leugnen bekanntlich den primären mye-
litischen Ursprung dieser Lähmungen und führen sie vielmehr auf eine
Schädigung der peripherischen Nerven oder ihrer Endigungen in der
Muskulatur zurück. Auch über diese Fragen suche man nicht hier,
sondern in den speziellen Lehrbüchern der Nervenkrankheiten Auf-
schluss. Feststeht, dass die gemeinhin sogenannte im Laufe der
chronischen Bleiintoxikation auftretende Bleilähmung in der über-
wiegenden Mehrzahl der Fälle das Extensorengebiet der Hände und
Finger am ehesten und intensivsten. betrifft: andere, als dem N. radialis
zugehörige Muskelgebiete (die kleinen Muskeln der Hand und der
Finger, die Beuger, die Öberarmmuskulatur und die der unteren
Extremitäten) werden meistens erst in zweiter Linie oder nur in den
seltenen Fällen ganz schwerer ‘allgemeiner Lähmungen betroffen.
Abgesehen von der eigentümlichen Gruppirung der Lähmung in Bezug
auf die einzelnen Muskeln (wir erinnern nur an das Freibleiben der
Mm. supinatores, oder an die Lähmung funktionell zusammengehöriger
Muskeln wie des Deltoideus, Biceps, Brachialis internus und Supinator
longus etc. etc.) finden sich elektrisch ganz bestimmte Merkmale,
welche die Bleilähmung der Extensorenmuskeln z. B. von Radialis-
lähmungen anderen Ursprungs zu unterscheiden gestatten: der Verlust
faradischer Erregbarkeit geht meist der der aktiven Beweglichkeit
parallel: in verschiedenem Grade sinkt resp. erlischt die faradische
direkte und indirekte Erregbarkeit für die verschiedenen, demselben
Gebiet angehörigen Muskeln: ganz frei bleiben meist die Mm. supi-
natores und der Triceps (anconeus); am intensivsten betroffen wird
gewöhnlich der Extensor dig. communis.
Untersucht man früh genug nach Eintritt der Lähmung, so ge-
lingt es oft, an den bleigelähmten Muskeln die ganze Summe der die
lintartungsreaktion ausmachenden Erscheinungen nachzuweisen: hin
und wieder finden sich auch Fälle, welche durchaus als sogenannte
Mittelformen von Lähmungen in dem oben (S. 295 u. 301) auseinander-
gesetzten Sinne aufzufassen sind. In späteren Stadien sind diese Ver-
hältnisse nur undeutlich nachweisbar: meist findet man dann die ver-
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