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Paramyoklonus multiplex. Schreibekrampf. Kap. XXI.
und unteren Extremitäten, wenn man nicht eben gewillt ist,
alle die verschiedenen Erscheinungsweisen der mannigfachen zentralen
Neurosen: der Epilepsie, Chorea, Hysterie ete. hierher zu rechnen.
Dasselbe gilt von den respiratorischen Krämpfen, die sowohl im
Gebiet der Inspirations- wie der Exspirationsmuskeln auftreten können:
sind diese Erscheinungen nicht abhängig von wirklichen pathologisch-
anatomisch nachweisbaren Erkrankungen des Centralnervensystems, so
kann man sie meistens dem Gebiet der sogenannten hysteri-
schen Erkrankungen zurechnen: wir werden bei der Besprechung
der Hysterie (vgl. dort) noch einmal auf diese Zustände und ihre
Behandlung zurückkommen.
Anhangsweise sei hier noch kurz jener eigentümlichen Krampf-
form gedacht, welche zuerst von Friedreich#% unter dem Namen
Paramyoklonus multiplex beschrieben worden ist und von wel-
cher auch Löwenfeld*% in neuester Zeit einen Fall unter dem
Namen Myoklonus spinalis multiplex mitteilte. Es handelt sich um
klonische Krämpfe in symmetrischen Muskeln der oberen und unteren
Extremitäten (meist der Oberarme und Oberschenkel), die im Schlaf
und bei willkürlichen Bewegungen aufhören. Es fehlen eigentliche
Lähmungserscheinungen, ebenso Sensibilitäts- oder trophische Störungen:
Ataxie besteht nicht, ebenso wenig eine Aenderung in der elektrischen
Erregbarkeit der affizirten Muskeln, dagegen ist die Reflexerregbar-
keit erhöht. Das Leiden verläuft chronisch, ist aber heilbar;
namentlich Löwenfeld hat durch Rückenmarksströme mit Einbe-
ziehung des Gangl. suprem. N. sympath. in den Stromkreis einen
günstigen Erfolg erzielt.
$ 174. Etwas Anderes ist es mit denjenigen eigentümlichen
Störungen, welche bei Leuten zu beobachten sind, die längere Zeit
und in angestrengter Weise nach einer Richtung hin tätig sein müssen:
als Paradigma aller solcher Störungen, welche die zur Erfüllung eines
bestimmten Zweckes nötige Koordination verschiedener Muskeln nicht
zu Stande kommen lassen, ist der bekannte und relativ so häufig zu
beobachtende Schreibekrampf (Mogigraphie) zu betrachten.
Oft sind es hier in der Tat krampfhafte, spastische Zustände in
einzelnen bestimmten Muskeln, welche das Zustandekommen der zum
Schreiben nötigen kombinirten Muskeltätigkeit hindern: sehr häufig
aber wird ganz uneigentlich derselbe Name „Schreibekrampf“ ge-
braucht, wo von Spasmen gar keine Rede ist, sondern wo eine ganz
bedeutende, z. B. sich in Zittern zeigende Schwäche der Muskulatur
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