Kapitel XXVII.
Von der Elektrotherapie der Krankheiten der Harnblase
und der Geschlechtsorgane nebst einem Anhange: die An-
wendung der Elektrizität in der Geburtshilfe und bei der
Erkrankung der Milch-, Schweiss- und Lymphdrüsen.
$ 198. Von den im Beckenraum liegenden Organen ist es vor
Allem die Harnblase, bei deren Erkrankung die Hilfe des Elektro-
therapeuten in Anspruch genommen wird. Störungen der Blasen-
funktion sind in einer ungemein grossen Anzahl von Fällen nicht
sowohl auf Leiden des Organs selbst, als auf Läsionen der die
Blasenmuskulatur innervirenden Zentren, vornehmlich des Rückenmarks
und hier speziell des Lumbalteils desselben zurückzuführen. Bei allen
möglichen Formen akuter oder chronischer Erkrankung desselben
finden sich Innervationsstörungen der Blasenmuskulatur. Dieselben
können je nach den zwei grossen Muskelkomplexen, welche die
Funktionen der Blase beherrschen, teils in einer Lähmung der aus-
treibenden Kräfte, des M. detrusor vesicae, bestehen, oder in einer
Paralyse des Schliessmuskels, wozu für den ersteren Fall noch eine
lähmungsartige Schwäche des austreibenden Hilfsapparats, speziell der
Bauchmuskeln, treten kann. Durch Schwäche des M. detrusor wird
die normale Entleerung der Blase, durch Parese des M. sphineter der
richtige Verschluss derselben und das Zurückhalten des Urins beein-
trächtigt.
Es ist hier nicht der Ort, auf die Physiologie der Blasenfunktion
näher einzugehen, nur soviel sei gesagt, dass die erwähnten Zustände,
sei es isolirt, sei es kombinirt (z. B. in der Form der sogenannten
Ischuria paradoxa, bei der trotz andauernd voller Blase [Detrusor-
schwäche] ein perpetuirliches Harnträufeln [Sphinkterparese] statt-
findet), bei Krankheiten des Rückenmarks eventuell des Gehirns
Rosenthalu. Bernhardt, Elektrizitätslehre. TIT. Auf. 29