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Kyoto, 8. März. Geſtern iſ ein Freund aus Tokyo angekommen, und
ih habe verſprochen, ihn früh im Hotel aufzuſuchen. Wir {mökern zuerſt
ein wenig in alten Holzſchnittbüchern beim Antiquar, dann brechen wir auf
zu einer Wanderung in die weftlichen Berge. Wir fahren mit der Bahn bis
Takaoguchi und ſteigen von da über eine Anhöhe nah Takao. Hier kommen
wir in eine herrliche Waldihluht und fteigen jenfeits empor zum Singoji,
einem alten Shingon-Klofter, das ganz einfam auf der Höhe liegt. In einer
der Hallen, Godaido genannt, ſtehen die fünf Myowo und fünf Kofuzo,
ſikend, in Holz gefehnigt. Dann ift hier eine der befannteften Kaufhitfu-Figu-
ren der reifen Temppo-Zeit, der fisende Shafyamuni-Buddha, das Gewand
klaſſiſch edel und weih geformt, aber das Geſicht merkwürdig leer. Jm Kondo
thront im Schrein ein Yakuſhi-Buddha, der wegen des Dunkels kaum zu
ſehen iſt, neben ihm ſtehen Nikko und Gakko, faſt lebensgroß in Holz, doh
ohne Faſſung. Sie erinnern an die köſtlihe Sho-Kwannon im Muſeum zu
Kyoto, doch find fie ein wenig ſteifer, dürften alſo aus der Kamakura-Zeit
ſtammen. Dazu kommen die vier Welthüter und die zwölf Himmelsfeldherren
in höchſtens halber Lebensgröße, Zeugniſſe einer ſpäteſten Barod-, ja Nofofo-
plaſtik, in Weiß und Gold gefaßt, mit flammenden Nimbuskreiſen. Es iſt
wunderbar ſtill in dieſer Einſamkeit, und wir wandern gern über die Berge
weiter nad) Saga. Hier befuchen wir nod einmal dag Seiryoji und Flopfen
bei Tomita Keiſen an, treffen ihn aber nicht zu Haufe. Den Abend verbrin-
gen wir behaglich im Kyoto-NHotel.
Heut iſt ein Regentag, und ih arbeite für mic zu Haufe, fchreibe Briefe
und an einem Aufſaß. Jch überſeße die Aufſchriften auf drei Bildern des
Abts Maruyama Denei. Sie lauten:
l. Kiefer und Fels
Der Wind fingt in den Bäumen —
Im Stein iſt Schweigen.
2. Hängende Trauben
Süße Trauben hängen voll Trauer.
Tod und Leben — hier ſind ſie eins.
3. Kürbisflaſche und Reiſig
Eines Kindes Lächeln
Macht Waſſer zu Wein.
verſc
dari