Full text: Wanderfahrten eines Kunstfreundes in China und Japan

   
  
   
   
   
   
   
  
  
   
  
  
  
  
   
   
   
  
  
   
   
  
  
   
  
  
   
   
  
  
   
  
  
   
  
  
  
  
  
   
   
   
  
  
   
  
  
   
   
     
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Kyoto II 187 
verſhiedenen Malern dieſer Kloſterſhule ſtammen. Von Sotatſu ſehe ih 
dann ein Byobu-Paar, das den alten Bugaku-Tanz der Konron Haſſen, der 
Vogeldämonen vom Kun-lun, und des Saiſoro, eines kleinen weißbärtigen 
Greiſen, höchſt geiſtvoll darſtellt. Wie ih gehört habe, ſoll auh eine höchſt 
unanſtändige Bildrolle der Toſa-Schule im Kloſter vorhanden fein — nad) 
einigem Zögern wird ſie gebracht, und wir betrachten fie mit gruſelndem 
Staunen: ſie behandelt die Knabenliebe der Prieſter mit der freieſten und 
ihamlofeften Draftif und übertrifft die erotiſhe Phantaſie der Moronobü, 
Harunobu und Utamaro noh weit an Kraft und Unmittelbarkeit. Über eine 
gewiſſe Nachtſeite im japaniſchen Kloſterleben, wie überhaupt wohl im Leben 
dieſes Volkes von ſüdländiſher Sinnlichkeit, geht mir hier ein unerwartetes 
Licht auf. — 
Kyoto, 12. März. Am Vormittag beſuhe ih das Shingon-Klofter 
Koryuſi. Von großer und edler Einfachheit iſ hier das Kodo, eine Tempel- 
halle der frühen Fujiwara-Zeit. Sie enthält die Rieſenfiguren eines Amida- 
Nyorai zwiſchen Kokuzo und Jizo, ſehr mächtig, groß und {wer geformt, 
eine ahtarmige und eine tauſendarmige Kwannon, ebenfalls dreimal lebens- 
groß in ſtrengem Tempyo-Stil. Das Kloſter beſißt ein eigenes kleines Mu- 
ſeum, in dem eine Fülle früher und guter Plaſtik ſih befindet. Hier iſt ein 
ſikender Miroku, ein berühmtes Kultbild, das Shotoku Taiſhi ſeinem Diener, 
dem reichen Hata Kawakatſu, geſchenkt haben ſoll, als dieſer den Tempel 
ſtiftete. Es ſoll aus Kudara gebracht ſein, iſt aus Holz, etwa halb lebens- 
groß, das Gewand teilweiſe in La>k gearbeitet. Das Ganze ift von großer 
Sanftheit und einem \{<önen, in ſi< träumenden Verſunkenſein, ein ftill- 
herrliches Bild. Merfwürdig find die Naffenmerfmale im Geſicht, der breite 
Mund mit der weit vorſpringenden Oberlippe, die eher japaniih als 
koreaniſ<h anmuten, die große Hand mit den langen dünnen Fingern und die 
kurzen fchmalen Arme. Höchſt edel iſ eine ähnliche ſogenannte Nyoirin- 
Kwannon, lebensgroß, aus dunkelbraunem Holz mit Goldreſten im Schoß. 
Sie hat etwas Preziós-Zierliches und iſt wohl etwas älter als die Chuguji- 
Kwannon, deren Schweſter ſie iſt. Der Leib ift ganz {mal, die Bruſt flach, 
der Mund zugeſpißt, die Naſe ſehr dünn und leicht gebogen, ſehr zart die 
Finger der rechten Hand. Dazu kommen noch viele Kultfiguren der Tempyo- 
und beſonders der Konin- und frühen Fuſiwara-Zeit. Unter den Gemälden 
ſind die zwölf Juniten, angeblih von Takuma Tameto, bemerkenswert, reich 
und farbig, mit ſtark akzentuierten Konturen, die auf den Einfluß der Sung- 
Malerei fchließen Iaffen — fie find wohl eher aus der Kamakura- als noh 
aus der Fuſiwara-Periode.
	        
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