Full text: Wanderfahrten eines Kunstfreundes in China und Japan

  
Abſchied von Japan 
Tokyo, 18. März. Jh habe mich geſtern entſchloſſen, no< einmal nach 
Tokyo zu fahren, und bin um 9.50 Uhr mit dem Nachtzug abgereiſt. 
Um 10 Uhr in Tokyo eingetroffen, laſſe ih zunä<hſ| mein Gepäd an der 
Bahn und gehe in den Ueno-Park und das Kaiſerliche Muſeum, um mich für 
morgen anzumelden. Jn der gegenwärtigen Ausſtellung von alter Malerei 
ſind ein Bodhidarma des Keiſhoki, dann drei berühmte Bilder Soga Yaſokus 
zu ſehen, ein Bodhidarma und zwei ſißende Prieſter, ferner und wichtiger noh 
zwei Rollen des Kitano Tenjin Engi, eines der Hauptwerke der Toſa-Malerei, 
voll großer heroifcher Einfalt und Draſtik, und ein Gakki Zoſhi mit den 
mannigfaltigſten Szenen der verdammten hungrigen Seelen, für die Bauern 
beim Tempelfeſt Reis aufſchütten, Prieſter zum Buddha beten, bis dieſer 
fie endlich von ihren Qualen erlöſt. Das iſ in leicht kolorierter Zeichnung 
mit beſhwingter Anmut und verblüffender Beobachtung des Lebens wie 
ſpielend hingeworfen. Unweit vom Muſeum ſteht das Kofufai-Gebäude, in 
dem zuweilen Ausſtellungen ſtattfinden, gerade offen, und es trifft ſih, daß 
in den recht primitiv oder proviſoriſh eingerihteten Räumen gerade die 
Sammlung franzöſiſcher Bilder gezeigt wird, die der Reeder Matſukata in 
Paris hat zuſammenkaufen laſſen. Es ſind teils zweifelhafte, teils {<wache 
Werke von Daumier, Courbet, Renoir, Sisley, Cézanne, Gauguin und 
van Gogh. Die Abſicht des Sammlers war ſicher gut, aber offenbar iſ er 
ichlecht beraten worden. Das ift ſchade, aber es zeigt auh, wie {hwer es für 
unſereinen ſein muß, umgekehrt in der japanifchen Kunft dag wirklich Beſte 
herauszufinden. Die Kriterien der Echtheit und des künſtleriſhen Ranges 
erfchließen fi) nur bei einer fehr eindringenden und unausgefeßten Ausein- 
anderfeßung mit einer von Haufe aus völlig fremden Welt des Schaffens 
und Aufnehmens. — Nachmittags traf ih in der Deutſhen Botſchaft 
Dr. Gundert, und dieſer führt mich in ein kleines Hotel Yamagata, wo ih 
für ein paar Tage wenigſtens leidlihe Unterkunft finde. Abends ſind wir 
miteinander bei Solf eingeladen und bleiben bis 12.30 Uhr in höchſt ange- 
regten Geſprächen. 
Tok y o, 19. März. Um 10 Uhr bin ich im Ueno-Muſeum angemeldet, und 
es werden mir zwei Hauptwerke aus den hier verwahrten Tempelſchäßen zum 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
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