Full text: Wanderfahrten eines Kunstfreundes in China und Japan

   
Shanghai und Hang-hou 
Shanghai, 15. April, Nun bin ih endlich in China, aber nody nicht 
im echten China, denn dieſes Shanghai, in dem ih ſeit aht Tagen umher- 
gehe, iſt do< nur die abendländiſche Pforte des alten verſchloſſenen Reichs, 
und es miſcht ſih hier wie in einem brodelnden Keſſel Europa und Amerika 
verwirrend mit Aſien, ſo daß die erſten Eindrücke viel eher betäubend als 
klärend auf mich eindringen. 
Am 8. April wurde morgens um 9.30 Uhr etwa der bis dahin blaue 
Ozean auf einmal {musig und gelb, bald unterſchied man ſogar zwei ver- 
Ihiedene Strömungen, die eine zur Rechten aus dem gelben Waſſer der 
Yang-tſe-Mündung, die linke, graulicher, kam wohl vom Wang-pu, der unter- 
halb von Shanghai in den Yang-tſe und mit ihm zuſammen in die offene See 
ſtrömt. Vier große Dſchunken ſah ih hier wie urzeitlich \{<were Waſſer- 
ungeheuer mit breiten Flügeln langſam vorüberziehen. Ungefähr um 10 Uhr 
fam flaches Uferland in Sicht, gegen 11 Uhr merkte man, daß man in den 
Yang-tſe und bald darauf in den Wang-pu einfuhr, an deſſen Ufern ein Fort, 
Fabriken und Arſenale an uns vorüberzogen. Zur Rechten lag offenbar 
Wu-ſung, dann werden die Siedlungen, Häuſer und Straßen der beginnen- 
den Stadt dichter, und um 3 Ahr endlih lag das Schiff am Kai von 
Shanghai feft. Jenſeits der breiten Kaiſtraße, des Bund, ſtrebten viel- 
ſto>ige Gebäude mit teils nüchternen, teils üppig geſ{<wollenen Faſſaden in 
unregelmäßig abgeſtufter langer Front gegen den Himmel: die Paläſte der 
Banken, Hotels, Klubs, Schiffahrtsgeſellſhaften und großen Handelsfirmen. 
Dann fuhr ic durch die Nanking-Road, die heftig pulfende Schlagader der 
Stadt, landeinwärts, am weiten Rennplat vorbei in -ſtillere Außenbezirke, 
wo ih in einer deutſchen Penſion eine vorläufige Unterkunft fand. 
Gegen Abend wanderte ih zurü> durd die Nanking-Road nah dem 
Bund und auf dem gleihen Wege wieder heimwärts, um eine erſte Orien- 
tierung zu gewinnen. Die Straße ift eng, und fie erjcheint noch enger dur) 
die teilweiſe ſchr hohen Häuſer, die ſie begrenzen. Vom Hafen aus ift ihre 
erſte Hälfte noch rein europäiſh oder beſſer engliſh, beſezt mit feinen Ge- 
häften, in deren Schaufenſter aller Luxus des Weſtens verlo>end ſi dar- 
bietet. Dann ändert fi) das Bild, es kommen niedrige, zum Teil fhon alte 
Fiſcher, Wanderfahrten 15 
    
  
  
  
   
    
     
  
    
   
  
   
    
    
    
    
   
  
  
   
    
   
   
   
   
	        
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