Full text: Wanderfahrten eines Kunstfreundes in China und Japan

  
Peking 11 
Peking, 9. Juni. Für den 5, Juni hatte ich) mich mit einigen Herren 
der deutfchen Geſandtſchaft zu einem mehrtägigen Ausflug nach den Hſi-ling, 
den weſtlichen Kaiſergräbern, verabredet. In dem großen Halbkreis der Ge- 
birge, welche die weite Ebene von Peking in der Ferne einſchließen, ſind drei 
Stätten für die Grabanlagen der Kaiſer auserwählt worden: Die Herr- 
ſher der Ming-Dynaſtie haben im Norden ihre Ruhepläte erwählt, die 
mandſchuriſchen Kaiſer teils im Oſten, teils im Weſten der Hauptſtadt, alle 
in ſehr großer Entfernung und in einſamen, abgelegenen Tälern oder Mul- 
den der Berge. Die berühmten Ming-Gräber, die älteſten und wohl aud) 
großartigſten, liegen jenſeits der großen Mauer, doh ſcheint es zur Zeit nicht 
möglich, ſie zu beſuchen, da Feng Yu-hſiang ſi dort mit ſeinen Truppen ein- 
geniſtet hat, um zu gegebener Stunde Chang Tſo-lin an der Befekung Pe- 
fings zu verhindern. Wir leben ja eigentlich im Bürgerkrieg oder im Krieg 
der Marſchälle, wenn er auch lautlos, mit Abwarten und ſtrategiſchen Macht- 
poſitionen und in langen Pauſen geführt wird. Die öſtlihen Gräber find 
{wer zu erreichen, auch ſoll ein Ausflug dorthin durch unſichere und revol- 
tierende Truppen oder au< durh Räuberbanden leicht gefährlic werden 
können. So blieben ung nur die Weitgräber übrig, wo die Gegend. be- 
quemer erreichbar und fiher fein ſoll. Die Teilnehmer an der Expedition ſind 
Admiral Behnke, ſein Adjutant Kapitän Saalwächter, der Botſchaftsrat 
Baron Schön, und zwei Damen der Geſandtſchaft, dazu Herr Wang, der 
geſhi>te und liebens8würdige Dolmetſh unſerer Miſſion, und zwei Diener, 
die für das Nachtlager, die Vorräte und die Zubereitung des Eſſens ſorgen 
ſollen. Um 11 Uhr treffen wir uns auf dem Fleinen Bahnhof vor dem Süd- 
tor der Mandſhu-Stadt und quartieren uns ſo gut als möglich in dem [hmußi- 
gen und überfüllten Zug der Bahn nach Hankau ein, der endlih um Mittag 
abfährt. Aber ſhon auf einer der erſten Stationen, in Kao-pei-tien, müſſen 
wir umſteigen. Von hier fährt auf der Nebenſtre>e na< Weſten nur ein 
Güterzug. Wir beſteigen alle zuſammen eine offene Lore und machen es uns 
auf dem Boden zwiſchen unſerem Gepä> ſo bequem als es eben geht. Beim 
ſ<önſten Wetter fahren wir ſo im Schnedentempo durch eine friedliche Land- 
ſhaft, immer die blauen Berge vor Augen, weiter, aber es wird Nacht, bis 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
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