Full text: Wanderfahrten eines Kunstfreundes in China und Japan

    
Abſchied von China 
Shanghai, 2. September. Nach der Nachtfahrt von Yen-<hou her 
fam i< morgens um 9.30 Uhr in Pu-kou an und mußte von hier mit dem 
Dampfboot über den Yang-tſe nach Hſia-kuan, dem Hafen von Nanking, 
fahren. Es regnete in Strömen und brachte mir zum Bewußtſein, was für 
ein unwahrfcheinliches Werterglüc ih den Sommer dur während meiner 
ganzen Reiſe gehabt habe. Ich ging ins Hotel und beſuchte dann meinen 
alten Freund Profeſſor Tſung Pai-hua in der Stadt. Er gab mir einen 
<ineſiſ<en Studenten als Begleiter mit, und in deſſen Geſellſchaft ſuchte ih 
am Nachmittag noch einmal meine Lieblingspläße in Nanking auf: die 
Ruinen des Ming-Palaſtes und das Grab des Kaiſers Hung-wu. Im Ming- 
fu-fung holte ich früher Verſäumtes nach, indem ich in dem einen noh 
ſtehenden oder ſpäter errichteten Gebäude dag dorf eingerichtete kleine Mu- 
ſeum mir zeigen ließ. Es enthält im Erdgeſchoß Steine, Ziegel und Snichrif- 
ten des alten Kaiſerpalaſtes, die aus der Zerſtörung gerettet worden ſind, im 
oberen Sto>werk die Sammlung eines Generals Cheng Ta-wei, die, ih 
weiß nicht, ob geſtiftet oder nur hier deponiert iſt. Man findet hier einige 
Opferbronzen der Chou- und der Han-Zeit, Schwerter, Dolche, Speer- und 
Pfeilſpitzen, dazu eine ſehr hübſche Zuſammenſtellung figürlicher Kleinplaſtik, 
beſonders von Bronzen der Ming-Dynaſtie. Das Kaiſergrab umfing mid) 
auch diesmal wieder mit dem Eindrud der ihweren Majeftät und wirklichen 
Größe, der aus der unvergleichlichen Lage, den riefigen Dimenfionen feiner 
Anlage und den wenigen unzerſtörbar mächtigen Reſten der alten Monu- 
mente fpricht. Von hier aus genoß ich nod) einmal den Blick über die weite, 
fo reich bebaute und anmutige Landſchaft. Jn die Stadt zurü>gekehrt, fand 
ih in der Nähe des Wên-miao den Laden eines Altertumshändlers, von dem 
mir Profeſſor Tſung geſprochen hatte. Es war ihm dort ein großer Marmor- 
fopf, wie er meinte, eines Kriegers aufgefallen, den er mir warm empfahl 
anzufehen. Der Kopf war nicht mehr im Geihäft, wurde aber alsbald berbei- 
geholt. Es war ein prachtvolles Bodhiſattoa-Haupt von einer mindeſtens 
anderthalbmal lebensgroßen Geſtalt, vielleicht aus der ſpäten Sung-, viel- 
leiht aus der Yüan-Zeit. Der Händler verlangte 800 Dollar dafür. Ich 
ſagte, das Stück ſei ſehr ſ{ön, aber es intereſſiere mi nicht, da ih nicht 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
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