Full text: Wanderfahrten eines Kunstfreundes in China und Japan

52 Ankunft in Japan 
paniſhen Buddhismus iſt. Er lebt jezt in Iobata als Profeſſor an der 
Meiſi-Hochſchule, und ich bin ſehr geſpannt auf die Bekanntſchaft mit dieſem 
merkwürdigen und vielleiht bedeutenden Menſchen, um ſo mehr, als das 
Studium der Zen-Lehren und ihrer Beziehung zur bildenden Kunſt eine der 
wichtigſten Aufgaben meiner Reiſe iſt. 
Eine Rikſcha fährt mi< vom Bahnhof weit außerhalb des Städtchens 
in einen abgeſonderten Bezirk, wo zunächſt eine große neue Kiefernpflanzung, 
dann Fabrikanlagen, dann eine kleine Wohnkolonie einander folgen. In 
einem befcheidenen neuen Häuschen empfängt mich die Frau des Profeſſors, 
ihr Mann ſei in der Schule, und fchieft mich dorthin. Die Umgebung ſieht 
na< Schulſtaub und ſtrenger Pflicht, keineswegs nach Äſthetik aus. Dann 
erſcheint Ohazama ſelbſt, ein kleiner, dunkler Mann mit ſtrengen Augen, 
gar nicht wie ein Myſtiker ausfehend, jondern von harter, faſt abweiſender 
Sachlichkeit. Aber allmählich ſchließt er ſich auf. Er berichtet mic zunächſt 
über die Anſtalt, an der er tätig iſt. Es iſt ein Polytechnikum, das vor etwa 
fünfzehn Jahren von privaten Stiftern gegründet und vor vier Jahren 
vom Staat übernommen wurde. Die Schüler, etwa 250 im Alter von 18 
bis 22 Jahren, leben die erſten zwei Jahre im Internat, dann in der Stadt. 
Die Hochſchule hat vier Fakultäten: für Mechanik, Elektrotechnik, Minern- 
logie und Chemie. Es iſ ein kleiner Erziehungs- und Sugendftant in ziem- 
lich frifchem und modernem, vielleicht an amerikaniſchen Muſtern geſchultem 
Geiſt. Profeſſor Ohazama ift der einzige Pädagog für allgemeine Erziehung 
und lehrt vor allem Philoſophie. Er ſcheint recht beliebt und angeſehen, über- 
wacht neben feinen Lehrftunden noch jeden Morgen die Qurnübungen, mit- 
tags und abends auch die gemeinſamen Mahlzeiten, offenbar ein ſtrenger 
aber guter Lehrer — daher mein erſter Eindrud. Sm Grund ift er wohl 
auch kein künſtleriſher Menſch, wohl aber ein ethiſcher und religiöſer Cha- 
rafter. Von 11 Uhr ab ſtellt er mir ſeine Zeit zur Verfügung. Ich erkläre 
ihm den Zwe> meiner Reiſe und meine Anliegen an ihn ſelbſt. Er hält es 
auch für das beſte, daß ich mich in Tokyo und in Kyoto länger aufhalte, 
wie ich dies vorhatte, und macht fi ſofort daran, eine Reihe von Emp- 
fehlungsbriefen an Perſönlichkeiten, die für meine Zwecke wichtig ſeien, zu 
ichreiben. Einen Brief an den früheren Kultusminifter ichreibt er mit Pin- 
ſel und Tuſche in alter Weiſe auf einen endloſen Streifen ſehr feinen Pa- 
piers. Es iſ ein Genuß, zuzuſehen, wie er den Streifen leiht in der Linken 
hält und mit der Nechten in fpielendem Wurf die Zeichen hinſchreibt, die 
wie Schmetterlinge flatternd unter ſeinem Pinſel entſtehen. Ohazama lädt 
mich dann zu Tiſch in ſeine Wohnung, und allmählich werden wir in ſeinem 
      
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
   
    
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