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Schon mancher, dem gestern noch drohte der Henker,
Ward am folgenden Morgen des Staates Lenker.“
Hoch mit Vergunst, o Sofia, fahre fort, uns das genauer
darzulegen.
Sofia: Der hoch donnernde Zeus, nachdem er sich so manche
Jahre lang wie ein Jüngling, ja wie ein ausschweifender
Geck geführt und die Zeit tot geschlagen hat mit nich
tigem Waffenspiel und Liebesgetändel, beginnt jetzt,
durch die Zeit mürbe gemacht, von seinen Ausschwei
fungen und Lastern und allen jenen Verhältnissen, welche
jugendlicher Kraftüberfluss mit sich zu bringen pflegt,
zu rückzukommen.
Saul in: So haben wohl Dichter, aber niemals Philosophen
die Götter beschrieben; — Können denn Zeus und die
andern Götter altern? Dann wäre es ja auch nicht un
möglich, dass sie auch noch einmal den Strom des
Acheron überschreiten müssten. 1 )
Sofia: Schweig doch, bring mich nicht aus dem Text, Saulin,
sondern hör’ mich zu Ende!
Saul in: Nun so sprich! bin ich doch begierig zu hören, da
ich gewiss bin, dass aus Deinem Munde nur Worte von
grosser und ernster Bedeutung hervorgehen; aber ich
zweifle, oh mein Kopf sie fassen und begreifen kann.
Sofia: Zweifle nicht! Zeus, sag’ ich, fängt nachgerade an,
ein gereifter Mann zu werden, er lässt jetzt keine andere
Personen mehr zu seinem Rat, als solche, welche Schnee
auf dem Haupte, Furchen in der Stirn, Brillen auf der
Nase, Puder am Kinn, einen Stock in den Händen und
Blei in den Füssen tragen, aber im Kopfe, sag’ ich, rich
tiges Vorstellungsvermögen, sorgfältige Uberlegungskraft *)
*) Dass die Unsterblichen nicht altern können, an dieser
logischen Konsequenz halten selbst die Dichter, die sonst möglichst frei
mit ihren mythologischen Figuren schalten, fest; Homer nennt sie äyrjQCog
„die nicht alternden.“
..Monde wechseln und Geschlechter fliehen,
Ihrer Götterjugend Rosen blühen
Wandellos im ewigen Ruin. (Schiller.)
Warum Bruno davon abweicht, hat er im Erläuterungsschreiben
erklärt. Vergl. S. 21. 22. und Not. 1. S. 20.