Doppelsterne. 91
vorgekommen sind«, konnte er bei manchen
dieser Gebilde den strengen Nachweis von
Veränderungen der erwähnten Art führen.
Damit war die Existenz vonbinärenStern-
systemen unzweifelhaft nachgewiesen.
4) Die Messungen William Herschels
waren indessen auf einen zu kurzen Zeit
raum beschränkt, als daß man aus ihnen
hätte zuverlässige Schlüsse ziehen können
auf die Bahnen, welche die Komponenten
der D. beschreiben. Das sichere Funda
ment für diesen Teil der Astronomie war
von Herschel gelegt worden, den weitern
Ausbau mußte er Spätern überlassen.
Unter diesen nimmt sein Sohn Sir John
Herschel eine hervorragende Stellung
ein; die großartigsten Arbeiten auf die
sem Gebiet hat aber Wilhelm Struve
geliefert.
Struve begann gleich 1813, als er an
die Sternwarte zu Dorpat kam, mit der
Ausführung der früher gefaßten Idee
einer möglichst umfassenden Untersuchung
der D. Anfangs standen ihm dort nur
ein achtfüßiges 'Meridianinstrument und
ein bewegliches fünffüßiges Fernrohr zu
Gebote ;mit dem erstern wurden Rektaszen
sionsunterschiede, mit dem letztern Posi
tionswinkel gemessen. Erst 1821 erhielt
dieses Instrument ein Fadenmikrometer,
und nun konnten vollständigere Bestim
mungen versucht werden; die Hauptarbeit
aber begann, als 1824 der große Fraun-
hofersche Refraktor von 14 Fuß Brenn
weite und 9Va Zoll Objektivöffnung nach
Dorpat kam. Es wurde jetzt nach einem
umfassenden, von Struve entworfenen
Plan vorgegangen, dessen Ziele waren:
a) Katalogisierung der D.; b) Ortsbe
stimmung derselben am Meridiankreis;
c) Mikrometermessungen, um Distanz
und Positionswinkel der Komponenten
zu ermitteln; ä) Beobachtungen über
die Parallarendisferenz der als optisch
erkannten D.; e) Beobachtungen über
Helligkeit und Farbe der Komponenten.
Schon 1820 veröffentlichte Struve sein
erstes Verzeichnis von 795 Doppelsternen,
von denen etwa 500 weniger als 32 Se
kunden Distanz haben. 1827 folgte das
zweite Verzeichnis mit 3112 Doppelster
nen bis zur 9. Größe abwärts und mit
Abständen unter 32 Sek. Dasselbe ent
hält die Resultate einer mit dem Fraun-
hoferschen Refraktor im Laufe von 2V-
Jahren ausgeführten, den ganzen in Dor
pat sichtbaren Himmel bis zul5° südlicher
Deklination (etwa 120,000 Sterne) um
fassenden Durchmusterung. Das dritte
Werk Struves, die 1837 erschienenen
»LIensurae rnicrornetricae stellarum
duplicium« (»Mikrometrische Messungen
von Doppelsternen«), enthält nur 2710
D., da später verschiedene Objekte des
frühern Katalogs, bei denen der Begleiter
zu schwach war', von der Messung ausge
schieden worden sind; dafür sind aller
dings einige neue mit mehr als 32
Sek. Distanz hinzugefügt. Um eine un
gefähre Vorstellung von dem Umfang
der Arbeit zu geben, welche diesem Werk
zu Grunde liegt, sei daran erinnert, daß
im ganzen 11,050 Messungen ausgeführt
worden sind, jedes Doppelsternpaar wurde
nämlich durchschnittlich viermal gemessen.
Nun können in einer heitern Nacht
mit Einrechnung der bequem gelegenen
Tagesstunden durchschnittlich 25 solcher
Messungen vorgenommen werden. Es
würden' hiernach alle Messungen zusam
men 442 heitere Nächte erfordern. Da
aber die durchweg heitern Nächte seltener
sind und auch viele nur teilweise heitere
benutzt werden mußten, so ist diese Zahl
natürlich noch zu vergrößern. Das letzte
Werk, die genauen Ortsbestimmungen
der D. enthaltend, erschien 1852(»Stella-
rum fixarum imprimis duplicium et
multiplicium positiones mediae pro
epocha 1830«).
Bis 1826 Hat Struve die Beobachtun
gen selbst ausgeführt, dann hat Preuß
dieselben weitergeführt, und nach dessen
Tod (1839) sind sie von W. Döllen und
T. El aussen fortgesetzt worden.
Struve teilt die D. bis zu 32 Bogen
sekunden Abstand in acht Klassen, nämlich
Klasse I bis zu 1 Sekunde, Kl. II bis 2
Sek., Kl. III bis 4 Sek., Kl. IV bis 8
Sek., Kl. V bis 12 Sek., Kl. VI bis 16
Sek., Kl. VII bis 24 Sek. und Kl. VIII bis
32 Sek. Distanz. Die Zahlen der von
ihm gemessenen D., nach diesen verschiede
nen Klassen geordnet, sind folgende: