Full text: Lexikon der Astronomie

Ebbe und Flut. 
103 
wegen der größernEntfernung trotz der be- 
deutendern Masse schwächer, nur ungefähr 
zwei Fünftel von derselben, übt auch die 
Sonne. Es werden daher die Fluten am 
größten sein, wenn die Wirkungen von 
Sonne und Mond sich unterstützen, also 
wenn Sonne und Mond, von der Erde be 
trachtet, entweder in Konjunktion oder in 
Opposition sind, d. h. zur Zeit des Neu 
monds und des Vollmonds oder in den 
Syzygien. Zur Zeit des ersten und letzten 
Viertels dagegen stehen Sonne und Mond 
um 90° voneinander entfernt; der eine Kör 
per sucht also die Ebbe hervorzubrin 
gen, wo der an 
dre eine Flut 
M zu bewirken 
strebt, u. durch 
das Entgegen 
wirken beider 
wird die gan 
ze Erscheinung 
schwächer. Man 
nennt die in den 
Syzygien ein- 
a tretenden star- 
ri ì ken Fluten 
f \\ Springflu- 
jj ten, die schiva 
si / I chen Fluten in 
N / / den Quadratu- 
ì JF reit dagegen 
Nippfluten. 
Die Fluten sind 
Ebbe und Flut. gZößer, wenn 
Sonne und 
Mond sich in der Erdnähe befinden, als 
bei größerer Entfernung derselben. Fer 
ner find sie ani größten, wenn Sonne und 
Mond im Äquator stehen. Stünde da 
gegen eins dieser Gestirne beständig im 
Pol des Himmels, so würde an den'Erd 
polen beständig eine Wasseranhäufung vor 
handen sein, das wechselnde Spiel der E. 
u.F.aber würde nicht stattfinden. Daraus 
kann man schließen, daß mit der Entfer 
nung beider Gestirne vom Äquator ihre 
Wirksamkeit abnimmt. Die stärksten Flu 
ten treten daher ein, wenn Sonne und 
Mond sich in der Erdnähe befinden, senk 
recht über dem Äquator stehen und zu 
sammen den Meridian passieren; es sind 
dies die Aquinoktialspringfluten. 
Wäre die Erde allenthalben gleichmäßig 
mit Wasser bedeckt, so würde zweimal im 
Lauf eines Mondtags eine Flutwelle in 
der Richtung von LX nach W. um dieselbe 
laufen, die sich in Richtung des Meridians 
erstrecken und ihre höchste Stelle da haben 
würde, wo der Mond im Zenith steht. 
Dieser einfache Verlauf wird nun ganz 
wesentlich verändert, sowohl was die Höhe 
der Fluten als die Zeit des Eintreffens an 
langt, durch die Verteilung des Festlands. 
In geschlossenen Meeren ist die E. u. F. 
wenig auffällig, selbst im Mittelmeer ist 
sie nur unbedeutend. Dagegen erreicht die 
Flut an manchen Küsten, wo das Wasser 
nicht leicht Abfluß findet und sich staut, 
außerordentliche Höhen; so kann sie bei 
St. Malo bis zu 18 m über den tiefsten 
Wasserstand steigen. Bezüglich der Zeit 
tritt im allgemeinen eine Verzögerung ein, 
besonders da, wo die Flutwelle aus dem 
offenen Meer nach O. strömen muß, um 
die Küsten zu erreichen. Die Flut tritt 
also erst einige Zeit nach der Kulmination 
des Mondes ein. Man nennt die Zwischen 
zeit die Hafenzeit (établissement) des 
Orts. Da die Kenntnis dieser Größe 
sehr wichtig für die Schiffahrt ist, so hat 
man sie für die Hafenplätze durch Beob 
achtung festgestellt. Sie beträgt z. B. für 
Hamburg 5 Stunden, Kurhaven 10 Mi 
nuten, Groningen 11V« Stund., Antwer 
pen 4 Stund. 2b Min., Dünkirchen 12 
Stund. 13 Min., Calais 11 Stund. 49 
Min., Havre 9 Stund. 53 Min., St. Malo 
6 Stund. 10 Min., Bayonne 4 Stund. 5 
Min., Dover 11 Stund. 10 Min., Bristol 
7 Stund. 12 Min., Portsmouth 11 Stund. 
40 Min., Dublin 11 Stund. 30 Min., die 
Shannonmündung 3 Stund. 45 Min., 
Lissabon 4 Stund. 40 Min., Cadiz IStund. 
15 Min., Gibraltar 0 Stund. 0 Min. 
Entsprechend fällt auch die höchste Flut 
nicht auf den Tag des Neu- oder Voll 
monds, sondern später; an den europäischen 
Küsten desAtlantischenOzeans beträgt diese 
Verzögerung durchschnittlich 36 Stunden. 
Eine in den Grundzügen richtige Theo 
rie der E. u. F. hat schon Newton 1687 
gegeben; seine Ideen sind später von 
Dan. Bernoulli, Leonhard Euler und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.