Full text: Lexikon der Astronomie

Erde. 
125 
Fallraum, aber dieZugluft wirkte störend. 
1802 wiederholte indessen Benzenberg 
diese Versuche am Michaelistnrm zu Ham 
burg bei 235 Fuß und 1804 in einem 
Kohlenschacht bei Schlebusch in der Graf 
schaft Mark bei 262 Fuß Fallhöhe. Am 
erstcrn Ort erhielt er 4,3, am letztern 5,i 
Linien Abweichung, während Gauß 4,o 
und 4,6 berechnete. Versuche endlich, welche 
der Freiberger Professor Reich 1831 im 
Dreibrüderschacht bei 488 Fuß Fallhöhe 
ausführte, ergaben 12,6 Linien Abwei 
chung nach O. Die Theorie verlangt übri 
gens auch eine kleine Abweichung nachS.; 
dieselbe ist aber äußerst unbedeutend, und 
die weit größer» südlichen Abweichungen, 
welche sich bei einigen Fallversuchen er 
geben haben, sind alö Beobachtungsfehler 
zu betrachten. 
8) Einen viel mehr in die Augen fal 
lenden und auch einer größer» Versamm 
lung vorzuführenden Beweis für dieAchsen- 
drehung der E. hat endlich 1851 der fran 
zösische Physiker Foucault mit seinem 
Peudelversuch geliefert; vgl. Foucaultscher 
Pendelversuch. 
9) Einen Beweis für die Drehung der 
E. um ibre Achse liefern auch die Erschei 
nungen, welche uns die Winde darbieten. 
Wenn ein auö höhern Breiten kommen 
der Luftstrom (ein sogen. Polar ström) 
weiter nach S. vorrückt, so muß derselbe, 
da er die geringere Rotationsgeschwindig 
keit seines Heimatsorts mitbringt, mehr 
und mehr gegen die Orte, über welche er 
hinstreicht, bei der Bewegung nach O. zu 
rückbleiben, weshalb er aus O. zu wehen 
scheint. Umgekehrt muß ein aus äquato 
rialen Regionen kommender Strom (ein 
Aquatorialstrom) beim Vordringen 
in höhere Breiten mehr und mehr eine 
westliche Richtung annehmen. Dies kön 
nen wir in der That alltäglich wahr 
nehmen: jeder Nordwind geht allmählich 
in NO., jeder Südwind in SO. über. 
Besonders großartig zeigen diese Erschei 
nungen aber die Passatwinde, die im Nord 
atlantischen Ozean zwischen 10 und 30° 
Breite an der Meeresfläche von NO. nach 
SW. wehen, vährend die hoch gehenden 
Wolken darüber einen in der Richtung 
von SW. nach NO., vom Äquator nach 
dem Pol hin, abfließenden Luftstrom an 
zeigen. 
Auf demselben Prinzip beruht es, daß 
auf einer in der Richtung des Meridians 
liegenden Eisenbahn eine von S. nach N. 
laufende Lokomotive mit dem Spurkranz 
ihres rechten Rades die rechts (östlich) lie- 
gendeSchiene nachO. zu verschieben sucht, 
während eine von N. nach S. laufende 
Lokomotive umgekehrt die westliche Schiene 
weiter nach W. zu schieben sucht. Wird 
ein Geleise nur in der einen Richtung be 
fahren, so muß die Entfernung beider 
Schienen allmählich zunehmen, wie man 
beispielsweise an der Hamburg-Harburger 
Eisenbahn bemerkt hat, wo dieseZunahme 
8 cm in einem Vierteljahr beträgt. 
Nach Angabe des russischen Akademikers 
v. Bär haben auch die von N. nach S. 
oder umgekehrt fließenden Ströme dieTeu- 
denz, ihr rechtes User im erstern Fall wei 
ter nach W., im letztern weiter nach O. 
zu rücken. 
10) Die Rotationsdauer der E. ist eine 
Größe, die entweder vollständig oder doch 
so gut wie vollständig unveränderlich ist, 
und sie bildet deshalb die Grundlage un 
srerZeitmessung. Über die Gründe, welche 
für eine, wenn auch äußerst unbedeutende 
Änderung dieser Größe sprechen, vgl. 
Tag 1). 
11) Die E. ist allseitig umgeben von 
einer Lufthülle, der Atmosphäre, die 
ein Gemenge von 79 Raumteilen Stick 
stoff und 21 Raumteilen Sauerstoff (77 
Gewichtsteile von erstcrm und 23 von letz- 
term) bildet, welches noch eine geringe 
Menge Kohlensäuregas, durchschnittlich 
4 Raumteile auf 10,000 Raumteile Luft, 
und außerdem allerhand organische Zer 
setzungsprodukte, besonders aber Wasser 
dampf in wechselnden Quantitäten ent 
hält. Die Höhe der Atmosphäre ist nur 
unsicher bekannt, wie sich schon deshalb er 
warten läßt, weil jedenfalls keine scharfe 
Grenze derselben existiert. Vielmehr nimmt 
ihre Dichte mit steigender Erhebung über 
den Boden mehr und mehr ab. Aus 
den Dämmerungserscheinungen läßt sich 
schließen (vgl. Dämmerung), daß eine 
Höhe von etwa 79 km die äußerste ist, in 
welcher die Lust noch merklich Licht zu re-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.