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Himmelsachse.
bleibt die Erdachse immer parallel, näm
lich unter einem Winkel von6k?/s° gegen
die Ekliptik geneigt; sie beschreibt also im
Lauf eines Jahrs eine schiefe Cylinder-
fläche. Da aber die Fixsterne im Vergleich
zur Größe der Erdbahn ungeheuer weit
von uns entfernt sind, so bleibt die Erd
achse bei dieser Bewegung beständig auf
dieselben Punkte des Firsternhimmels,
die Pole, gerichtet.
Für viele Untersuchungen können wir
von den wahren Bewegungen der Him
melskörper absehen und brauchen nur die
scheinbaren an der Himmelskugel zu be
trachten. Der Inbegriff dieser llnter-
suchungen wird die sphärische Astro
nomie genannt. Zweck des gegenwärti
gen Artikels ist es, eine Übersicht über die
verschiedenen Methoden zu geben, den
Ort eines Sterns am H. zu bestimmen.
Das Nähere ist in den betreffenden Ar
tikeln nachzulesen.
8) Bei Tag erscheint uns der wolken
leere H. als ein mehr oder minder intensiv
blau gefärbtes Gewölbe. Es gelangen
dann in unser Auge die Lichtstrahlen, die
von den Luftteilchen in höher» Schichten
der Atmosphäre zurückgeworfen werden.
Die blaue Färbung rührt einer neuern
Erklärung von Nichols zufolge wahr
scheinlich daher, daß die Netzhaut unsers
Auges für die Empfindung der roten,
grünen und violetten Strahlen drei La
gen von Nervenzäpfchen besitzt, die nicht
in gleicher Weise durch Strahlen von
verschiedener Intensität erregt werden.
Die »violetten« Nerven sind nämlich für
schwache Strahlen sehr empfänglich, wäh
rend die andern noch fast unempfindlich
bleiben; je intensiver aber das Licht wird,
desto lebhafter wird die Empfindung des
Grün und Rot, während die für die Em
pfindung des Violett dienenden Nerven ge
blendet und matt werden. In dem weißen
Sonnenlicht sind nun verschiedenfarbige
Strahlen enthalten; sehen wir aber direkt
in die Sonne, so erscheint sie uns gelb,
weil wir in dem grellen Lichte das Violett
nicht mehr, sondern bloß Grün und Rot
wahrnehmen, welche gemischt die Empfin
dung des Gelb geben. Je schwächer aber
umgekehrt das Licht ist, welches unö die
höhern Luftschichten zusenden, desto mehr
wird ausschließlich die Empfindung des
Blau und Violett erregt.
9) Schließlich gedenken wir noch einer
Täuschung, die wir sowohl beim Anblick
des wolkenleeren, blauen Tageshimmels
als auch nachts, wenn der H. mit Ster
nen besäet ist, beobachten können. Der H.
erscheint uns nämlich nicht in Form einer
Halbkugel, sondern mehr abgeflacht. Be
trachtet man dieses scheinbare Gewölbe als
einen Kugelabschnitt, so verhält sich, wie
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts
der englische Physiker Robert Smith ge
zeigt hat, der Durchmesser der Basis zur
Höhe ungefähr wie 1:3 oder nach der Be
rechnung vonD r o b i s ch (1854) wie 11:37.
Zu diesen Zahlen gelangt man durch eine
einfache, von Smith angegebene Beobach
tung: wenn man einen vertikalen, vom
Zenith bis zum Horizont reichenden Bogen
nach dem Augenmaß halbiert, so findet
sich bei einer Nachmessung der Halbie-
rungspuir^t nicht in 45°, sondern in 23°
Höhe, faktische Astronomen scheinen
indessen so großen Fehlern nicht ausgesetzt
zu sein, was wohl von ihrer Übung im
Winkelmessen und Abschätzen herrührt.
Schon Malebranche und Euler haben
für diese Erscheinung die Erklärung ge
geben, daß hier eigentlich eine Täuschung
unsers Urteils, nicht unsers Auges
vorliegt: in vertikaler Richtung haben
wir keinen Maßstab für die Entfernung,
wir nehmen daher unwillkürlich eine ge
wisse mittlere Entfernung an; in hori
zontaler Richtung aber gestatten unö die
Objekte auf der Erdoberfläche eine solche
Schätzung der Distanzen, und wirversetzen
dem entsprechend die Objekte am H. in
sehr große Ferne. Ganz im Einklang mit
dieser Erklärung erscheint uns auch das
Himmelsgewölbe auf hohen Bergen mit
weiter Fernsicht flacher als in der Ebene.
Aus dem hier angegebenen Grund er
scheinen unS auch Sonne und Mond am
Horizont weit größer (weil wir sie eben
unwillkürlich in größere Ferne versetzten),
als wenn sie höher am H. stehen.
HimmeI8achse(W cltachse), die gerade
Linie, um welche sich im Laufe von 24
Sternstunden das ganze Himmelsgewölbe