Homozentrische Sphären. 221
Ekliptik geneigt ist. Durch die in derselben
Richtung, aber nur sehr langsam von stat
ten gehende Rotation der zweiten Sphäre
wird dann den Knotenpunkten eine lang
same Bewegung in der Richtung der Zei
chen des Tierkreises erteilt.
Die hier erwähnte Vorstellung, daß die
Sonne sich in einem veränderlichen, wenig
gegen die Ekliptik geneigten Kreis bewege,
ist überhaupt den Astronomen des klassi
schen Altertums vor und nach Eudoros
sehr geläufig, und der PeripatetikerAdrast
aus Aphrodisias, der wahrscheinlich im 1.
oder 2. Jahrh. n. Chr. lebte, hat eine aus
führliche Theorie dieser vermeintlichen Er
scheinung gegeben. »Die Bewegung der
Sonne nach der Breite im Tierkreis ist«,
ihm zufolge, »nur klein, sie beträgt im
ganzen 1° auf 360°.« Demnach würde
die größte Abweichung des Sonnenmittel
punkts von der Ekliptik nur V-° auf jeder
Seite betragen, wie dies auch an einer
andern Stelle von Adrast direkt ausge
sprochen wird. Von Eudoros haben wir
über diese Abweichung sowie über die Um
laufszeit der Knoten keine genauern nu
merischen Angaben.
Während wir hier den Eudoros einer
nur eingebildeten Bewegung der Sonne
Rechnung tragen sehen, muß es Befrem
den erregen, daß er eine thatsächliche, zu
seiner Zeit bereits bekannte Unregelmäßig
keit der Bewegung dieses Gestirns gänzlich
unbeachtet läßt. Schon 60—70 Jahre
vor ihm hatten nämlich M e t o n und E u -
ktemon durch fleißige Beobachtung der
Solstitien und Äquinoktien die für die
damalige Zeit fast unglaubliche Thatsache
nachgewiesen, daß die Sonne zur Beschrei
bung der vier Quadranten ihrer Bahn,
die zwischen den Solstitial- und Äquinok
tialpunkten liegen, nicht gleichviel Zeit ge
braucht, daß also die vierJahreszeiten von
ungleicher Dauer sind. Eudoros aber gibt
der Sonne eine ganz gleichförmige Bewe
gung, und wir wissen auch aus einem
unö erhaltenen Eudorischen Kalender, daß
er jeder der vier Jahreszeiten die gleiche
Länge von 91 Tagen beilegte, mit Aus
nahme des Herbstes, dem er 92 Tage gab,
um die Summe von 365 Tagen für das
Jahr vollzumachen.
Für die verwickeltern Bewegungen,
welche man bei den Planeten Merkur,
Venus, Mars, Jupiter und Saturn wahr
nahm, reichten aber drei Sphären nicht
aus, und Eudoros sah sich daher genötigt,
deren vier für jeden Planeten anzuneh
men, so daß die Gesamtzahl seiner
Sphären mit Einschluß der Firstern-
sphäre siebenundzwanzig beträgt.
Von den vier Sphären, welche einem
Planeten zugeteilt siud, hat nun die
äußerste die Bestimmung, die tägliche, auch
dem Firsternhimmel zukommende Dre
hung von O. nach W. hervorzubringen.
Die zweite bewirkt den Umlauf des Pla
neten in der Ekliptik in einer Periode, die
für Mars, Jupiter und Saturn mit der
siderischen Umlaufszeit zusammenfällt,
während sie bei Merkur und Venus gleich
einem Jahr ist. Die Pole der dritten
Sphäre lagen in zwei entgegengesetzten
Punkten des auf der zweiten Sphäre be
wegten Tierkreises; diese Pole waren der
Angabe des Aristoteles zufolge dieselben
für Venus und Merkur, aber verschieden
für die übrigen Planeten. Um sie drehte
sich nun die dritte Sphäre innerhalb einer
der synodischen Umlausszeit des Planeten
gleichen Periode, d. h. innerhalb des Zeit
raums, der zwischen zwei aufeinander fol
genden Konjunktionen oder Oppositionen
dieses Planeten verstreicht. Auf der Ober
fläche dieser Sphäre waren dann die Pole
der vierten, innersten Sphäre angebracht,
auf deren Äquator der Planet seinen
Platz hatte. Die Achse der vierten Sphäre
hatte gegen die der dritten eine konstante,
bei den verschiedenen Planeten verschiedene
Neigung, und die vierte Sphäre drehte
sich tn derselben Zeit wie die dritte um ihre
Achse, aber im entgegengesetzten Sinn.
Auf diese Weise wurde es Eudoros in
der That möglich, die verschiedenen Un
gleichmäßigkeiten in den Planetenbewe
gungen zu erklären, nur nicht die, welche
von der Exzentrizität ihrer Bahnen ab
hängen. Die Punkte der aufeinander fol
genden Konjunktionen und Oppositionen
lagen gleichweit voneinander entfernt auf
der Ekliptik, und die Bogen des Rück
laufs wurden von ihm als konstant für
jeden Planeten und gleichlang in allen