Full text: Lexikon der Astronomie

230 Jntermerkunale Planeten. 
denn noch vor Ende 1859 machte der Arzt 
Lescarbault in Orgeres (Departement 
Eure-et-Loir) die Mitteilung, daß er, 
seit länger als Jahresfrist mit Aufsuchung 
sonnennaher Planeten beschäftigt, bereits 
26. März 1859 einen scharf begrenzten 
schwarzen Fleck in Zeit von 1 Stunde 
17 Minuten längs einer vom Mittelpunkt 
um 15,3 Bogengrade entfernten Sehne 
vor der Sonnenscheibe habe vorübergehen 
sehen, daß aber die Hoffnung, den neuen 
Planeten noch einmal zu beobachten, ihn 
veranlaßt habe, so lange zu schweigen. 
Obgleich anfangs mißtrauisch, wurde Le- 
verrier doch durch eine Unterredung mit 
Lescarbault von der Realität der Beob 
achtung desselben überzeugt und berech 
nete für den neuen Planeten, den er 
Vulkan nannte, eine Bahn von 21 Mill. 
lrm Halbmesser, 12" 10'Neigung gegen 
die Ekliptik nnd 19,7 Tagen Umlaufs- 
zeit. Anderseits wurde die Richtigkeit der 
Lescarbaultschen Beobachtung stark ange 
zweifelt, und der französische Astronom 
Liais, der als Direktor der brasilischen 
Küstenvermessung in Olinda die Sonne 
um die fragliche Zeit beobachtet und nichts 
von dem neuen Planeten gesehen hatte, 
bezeichnete Lescarbaults Angabe entschie 
den als falsch. Indessen hatte Wolf in 
Zürich bald nach dem Bekanntwerden der 
theoretischen Untersuchungen Leverriers 
die ältern Aufzeichnungen über Sonnen 
fleckenbeobachtungen durchmustert und 15 
verdächtige Fälle namhaft gemacht, auch 
darauf hingewiesen, daß sich mehrere der 
selben als Durchgänge eines Planeten von 
etwa 3872 Tagen Umlaufszeit deuten 
ließen, und im Februar nächsten Jahrs 
zeigte er, daß sich die Beobachtungen von 
Dangos (18. Jan. 1798), Fritsch (10. 
Okt. 1802), Stark (9. Okt. 1819 und 
12. Febr. 1820) und Lescarbault durch 
einen Planeten von etwa 19,9 Tagen Um 
laufszeit erklären lassen. Insbesondere 
aber gab sich Radau in Paris Mühe, mit 
Hilfe älterer Beobachtungen fernerweite 
Vorübergänge des Vulkan vor der Sonne 
zu berechnen, und er selbst sowie Ellery 
in Williamstown (Massachusetts), Major 
Tennant in Madras, Neumayer in 
Melbourne u. a. beobachteten die Sonne 
sorgfältig, ohne den gesuchten Planeten 
zu finden. Als dann auch die Hoffnung, 
ihn während der totalen Sonnenfinster 
nis vom 18. Juli 1860 in der Nähe der 
Sonne zu erblicken, fehlschlug, so fiel er 
fast der Vergessenheit anheim. Indessen 
machte schon 20. März 1862 W. L u m m i s 
in Manchester eine Beobachtung, die auf 
einen intermerkurialen Planeten deutete. 
Er bemerkte nämlich mit seinen: Teleskop 
einen kleinen, scharf begrenzten kreisrun 
den'Fleck auf der Sonne, der in Zeit von 
20 Minuten einen Weg von ungefähr 12 
Bogenminuten zurücklegte; leider konnte 
der Beobachter, ein Eisenbahnbeamter, den 
Austritt nicht abwarten. Auch in einem 
11. Aug. d. I. von Sporer in An- 
klam beobachteten kleinen, runden Fleck 
auf der Sonne, der nur an diesem Tag 
sichtbar war, wurde ein sonnennaher 
Planet vermutet, und ferner berichtete 
Coumbary in Konstantinopel, daß er 8. 
März 1865 einen schwarzen, scharf be 
grenzten Fleck von einer dem Rande der 
Sonne nahen Fleckengruppe in Zeit von 
48 Minuten zum andern Rand habe gehen 
sehen. 
Das Interesse für die intermerkurialen 
Planeten wurde aufs neue erweckt durch 
eine Mitteilung von Weber in Peckeloh, 
der 4. April 1876 während eines kurzen 
Durchbruchs der Sonne durch die Wol 
ken einen kleinen, scharf begrenzten Fleck 
auf dieser bemerkte, der am andern Mor- 
gen verschwunden war. Zwar erwies sich 
derselbe nachher durch Beobachtungen in 
Madrid und Greenwich als ein gewöhn 
licher hoffreier Sonnenfleck; aber Lever- 
rier hatte inzwischen die Frage der inter 
merkurialen Planeten wieder zur Sprache 
gebracht und glaubte die Beobachtungen 
von Fritsch (10. Okt. 1802), de Cuppis 
(2. Okt. 1839), Sidebotham in Manchester 
(12. März 1849), Lescarbault und Lum- 
mis auf ein und denselben Körper be 
ziehen zu dürfen. Der Tod ries ihn in 
dessen 23. Sept. 1877 ab, ohne daß seine 
Hoffnung auf Wiederausfindung des ver 
muteten Planeten erfüllt worden wäre. 
Ebensowenig bestätigte sich eine Voraus 
sage des Astronomen Th. v. Oppolzer 
in Wien, der aus den Beobachtungen von
	        
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