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Jupiter.
Eine einfache Rechnung zeigt, daß diese
Bewegungen sehr beträchtlich sind: rechnet
man den Umfang des Äquators des I.
zu 466,410 km, so ergibt sich bei einer
Rotationsdauer von 9 Stund. 35 Min.
37 Sek. ein Weg von 13,051 Km in der
Sekunde für jeden Punkt des Äquators;
legt man aber die Rotationsdauer von
90 Stund. 50 Min., welche S ch m i d t an
einer weißen Wolke der Äquatorregion
beobachtete, zu Grunde, so ergeben sich
13,175 Km. Dies gibt einen Unterschied
von 124 m in der Sekunde. Um so
viel würde die weiße Wolke den dunkeln
Flecken, in denen wir vielleicht die Ober
fläche der Planeten vor uns haben, vor
auseilen; das ist ungefähr fünfmal soviel
als die größte auf deutschen Bahnen zu
lässige Geschwindigkeit für Schnellzüge.
Schon Schröter hat die in Richtung
der Rotation beschleunigte Bewegung der
weißen wolkenartigen Gebilde der Aquator-
zone auf Rechnung von Winden gesetzt,
die den Passatwinden auf der Erdoberfläche
entsprechen. Dabei haben wir es natür
lich mit dem obern Passat zu thun, dessen
Richtung derjenigen des an der Oberfläche
wehenden gerade entgegengesetzt ist. Letz
terer weht bekanntlich auf der Erde von
O. nach W., also der Rotationsrichtung
entgegen. Daß die Eigenbewegungen auf
dem I. fast rein äquatorial gerichtet sind,
während die obern Passate der Erde eine
entschieden nach den Polen gerichteteBewe-
gung haben, erklärt sich wohl daraus, daß
infolge der fünfmal größer» Entfernung
die Einwirkung der Wärme auf den I. nur
ungefähr den 25. Teil derjenigen beträgt,
welche sie auf die Erde ausübt; daher
wird auch dort der Abfluß der Luftmassen
aus den höher» äquatorialen Regionen
nach den Polen hin nur sehr langsam er
folgen. Von Zeit zu Zeit scheinen übrigens
auch Ostwinde dem Rotationsschwung
des I. entgegenzuwehen. Im allgemeinen
herrscht in den mittlern Breiten des Pla
neten eine größere Beständigkeit als in der
äquatorialen Zone.
Der Sekretär der britischen Astronomi
schen Gesellschaft, A.C. Ranyard, hat
vor einigen Jahren auf einen merkwür
digen Zusammenhang hingewiesen, der
zwischen den Veränderungen auf dem I.
und der Sonnenfleckenbildung zu bestehen
scheint. Er hat nämlich gezeigt, daß in
den letzten Jahrzehnten das Auftreten ge
färbter Streifen am I. und die Bildung
von hellen eiförmigen Flecken in seiner
Äquatorialzone, die diesen letztern Ähn
lichkeit mit dem Körper eines Kriegsschiffs
geben, zusammenfallen mit den Epochen
größter Häufigkeit der Sonnenflecke. Wei
tere Belege für die Richtigkeit dieses Ge
setzes hat später Lohse aus ältern und
neuernBeobachtungen zusammengetragen.
Was nun die Deutung der Erscheinun
gen anlangt, die wir auf der Scheibe des
I. wahrnehmen, so sind die hell glänzenden
weißen Gebilde ohne Zweifel dichte Wolken,
die das Sonnenlicht kräftig reflektieren.
Die dunkeln Partien sind vielleicht Öff
nungen in der Wolkenhülle, durch welche
wir durch eine nebelartige Atmosphäre
hindurch auf den Kern desPlaneten sehen.
Die rötliche Farbe, welche insbesondere
die Äquatorzone bisweilen zeigt, wird
der Anwesenheit von Wasserdampf zuge
schrieben, auf welchen auch einige dunkle
Streifen im roten Teil des Spektrums
des I. deuten, welche Ähnlichkeit mit
gewissen Absorptionöstreifen haben, die,
wie zuerst Janssen nachgewiesen, im
Spektrum der untergehenden Sonne
durch den Wasserdampf unsrer Atmo
sphäre erzeugt werden. In den betreffen
den Teilen der Jupiteratmosphäre dür
fen aber dann keine Wolken vorhanden
fein, die das Sonnenlicht reflektieren, ehe
es durch genügend dichte Schichten wasser-
dampfhaltiber Atmosphäre durchgebrun-
gen ist. Die rötlich erscheinenden Stellen
sind daher als Aufhellungen in der Wol
kendecke des I. zu betrachten; auch ist in
der That bemerkt worden, daß bei einer
Vermehrung der hellen Wolken in der
äquatorialen die rote Färbung an den
wolkenlosen Stellen «»Intensität verliert.
Übrigens sind mit Rücksicht auf die ge
ringe Dichte und den schnellen Wechsel
des äußern Aussehens viele der Meinung,
daß der I. einen bedeutend hohen Tem
peraturgrad besitze, und der Engländer
Richard Proctor hält sogar dafür,
daß die zeitweilige rote Färbung der