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Kalender (Fehler
des Julianischeu).
merklich wurde; die Nonen entsprachen
dem ersten Viertel, die Iden dem Voll
mond. An den Kalenden wurde in den
ältesten Zeiten des Römerreichs vom Ka
pitol aus durch einen Priester dem Volk
verkündet, ob von da an bis zu den Noneu
5 oder 7 Tage zu rechnen seien. Davon
hat dieser Tag seinen Namen Kalendae,
Rufetag, vom lateinischen vaiare, »rufen«,
abgeleitet. Weil es bei den Römern üb
lich war, am ersten Monatstag die Zinsen
zu zahlen, so bezeichnete man auch ein
Verzeichnis der Zinsen mit dem Namen
Kalendarium. Erst im Mittelalter er
hielt dieses Wort seine heutige Bedeutung,
die Römer sagten dafür Fasti. Nonae
hieß der Tag des ersten Viertels, weil er
der neunte Tag vor den Iden war; die
Ableitung des Namens I<1u8 ist unsicher.
DasJulianischeJahr ward ferner durch
vier Zeitpunkte, die Frühlings-Tagund
nachtgleiche 24. März, die Sommerson
nenwende 24. Juni, die Herbst-Tagund
nachtgleiche 24 Sept. und die Winter
sonnenwende 25. Dez., in vier Teile ge
teilt; diese vier Jahrespunkte bezeichneten
zugleich die Mitten (nicht wie bei uns
die Anfänge) der vier Jahreszeiten. Der
Frühling begann 7. Febr., mit dem
Eintreten des Westwinds, des Favonius,
der Sonlmer mit dem Frühaufgang der
Plejaden 9. Mai, der Herbst mit dem
Frühuntergang der Leier 11. Aug. und
der Winter mit dem Frühuntergang der
Plejaden 11. Nov. Die Dauer dieser ver
schiedenen Jahreszeiten war 91 (in Schalt
jahren 92), 94, 92 und 88 Tage.
Durch den Julianischen K., der im gan
zen Römerreich und nach dessen Unter
gang bei den christlichen Völkern überhaupt
eingeführt wurde, kam allerdings größere
Ordnung in die Zeitrechnung; aber eine
vollständige Übereinstimmung zwischen
dem K. und dem Lauf der Sonne war
auch jetzt nicht hergestellt. Rechnet man
nämlich das tropiscke Sonnenjahr zu
365,2422 Tagen, so ist das Julianische
Jahr von durchschnittlich 365,25 Tagen um
0,0078 Tag oder etwa 11 */4 Minuten zu
groß. Da dieser Unterschied in 128 Jah
ren zu einem vollen Tag anwächst, also
128 tropische Jahre um einen Tag kürzer
sind als 128 Julianische Jahre, so fällt
nach Ablauf oieser Zeit jedes sich alljähr
lich wiederholende Ereignis um einen Tag
früher. Diese Wahrnehmung machten
schon die auf dem Konzil in °Nicäa 325
n. Chr. versammelten Väter: sie fanden,
daß das Frühlingsäquinoktium nicht mehr,
wie zu Cäsars Zeiten, auf 24. März
siel, sondern auf den 21. Da nun das
Datum dieses Äquinoktiums für die Be
stimmung des Osterfestes von Wichtigkeit
war und die Ursache der Verschiebung
dieses Datums in einer zufällig einmal
eingetretenen Unordnung gesucht wurde, so
setzte das Konzil in Übereinstimmung
mit dem Kaiser Konstantin das Früh-
lingöäquinoktium auf 21. März fest
und schloß daran die weitern Bestimmun
gen über die Feier des Osterfestes <s. Oster
rechnung). Jene Verschiebung erklärt sich
aber ganz einfach dadurch, daß von 46
v. Chr. bis 325 n. Chr. ziemlich drei
mal 128 Jahre verstrichen waren, also
das Frühlingsäquinoktium um drei Tage
zurückgegangen sein mußte. Aber dieses
Zurückgehen mußte nun auch in den fol
genden Jahrhunderten fortdauern, und
schließlich mußte die Abweichung des Ka
lenders von der Sonne eine sehr bedeu
tende werden. Es kann daher nicht Wun
der nehmen, daß man schon frühzeitig auf
dieses Voreilen des Äquinoktiums auf
merksam wurde. Schon der gelehrte, auch
in den Naturwissenschaften bewanderte
Franziskaner Roger Baco (geb. 1214,
gest. 1294 in Oxford) soll zur Beseitigung
dieses Übelstands Vorschläge gemacht ha
ben , und ein Gleiches wird berichtet von
seinem etwas jüngern Landsmann Joau-
nes de Sacrobosco (gebürtig aus Holi-
wood oder Halifax, gestorben um 1256 als
Professor der Mathematik in Paris) sowie
von dem Augustinermönch Joannes de
Saxonia, der um 1330 in Prag und
Paris lebte Auf dem Konzil zu Kostnitz
1414 befürwortete der französische Kardi
nallegat Pierre d'Ailly (Petrus Allia-
cus) die Kalenderresorm mit dem Hinweis
darauf, daß der Fehler in der Zeitrechnung
bereits 9 Tage betrage, und auf der Kir-
cheuversammlung zu Basel 1436 war es
der Kardinal Nikolaus von Cusa (Niko-
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