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Parallaxe (relative der Fixsterne).
Außer der Aberration entdeckte Bradley
noch eine andre periodische Bewegung der
Sterne. Schon seit Hipparchs Zeiten
weiß man, daß der Himmelspol kein fester
Punkt ist, sondern daß er in langsamer
Bewegung um den Pol der Ekliptik be
griffen ist und um denselben einen Kreis
von ungefähr 23 ^"Halbmesser beschreibt.
Alljährlich legt er auf diesem Kreis einen
Bogen von etwa 50 Bogensekunden zurück
lvgl. Präzession). Mit dieser Bewegung ist
aber eine andre verbunden, die bereits
Newton als Folge der Einwirkung des
Mondes auf die abgeplattete Erde ange
geben, die man aber bis dahin nicht durch
die Beobachtungen nachgewiesen hatte. Es
ist dies die Nutation (das Schwanken)
der Erdachse. Sie bewirkt, daß die Bewe
gung deö Weltpols nicht genau in dem er
wähnten Kreis von statten geht, daß der
erstere vielmehr eine wellenförmige Linie
um den letzter» beschreibt und sich bald
auf dessen innerer, bald auf der äußern
Seite befindet. Um sich die Sache an
schaulich zu machen, denke man sich einen
Punkt, den sogen, mittlern Pol, der sich
mit gleichbleibender Geschwindigkeit von
jährlich beiläufig 50 Sekunden auf dem
erwähnten Kreis fortbewegt. Um diesen
Punkt beschreibt dann der wahre Pol in
Zeit von 19 Jahren eine Ellipse, deren
große, in die Richtung des Kreises fal
lende Achse 18 Bogensekunden und deren
kleine Achse 14" beträgt. Vgl. Nutation.
Zur genauen Bestimmung der Nuta
tion setzte Bradley seine Beobachtungen
zwei Jahrzehnte hindurch fort, und als er
dann an seinen Beobachtungen die wegen
der Aberration und Nutation nötigen
Korrekturen anbrachte, ließ sich nichts
von einer jährlichen P. der Fixsterne er
kennen. Er behauptete aber, daß er die
selbe bemerkt haben würde, wenn sie nur
V» Bogensekunde betrüge.
Die vermeintliche P. des Sirius von
etwa 9", die der französische Astronom
Lacaille während seines Aufenthalts
am Kap der Guten Hoffnung (1751 —
1754) gefunden zu haben glaubte, ist auf
mangelhafte Berücksichtigung der Strah
lenbrechung zuriickzuführen.
Ende des vorigen und Anfang des lau
fenden Jahrhunderts stellte auch Piazzi
in Palermo an verschiedenen Sternen er
ster Größe Messungen von Zenithdistan
zen an, und es gelang ihm auf diese Weise,
beim Sirius merkliche, im Lauf cincsJahrs
von statten gehende Änderungen wahr
zunehmen, die auf eine P. dieses Sterns
von 4" führten. Es dürften aber diese
Änderungen nur scheinbar gewesen sein
und wahrscheinlich in den mit den Jah
reszeiten wechselnden Einwirkungen der
Sonnenbestrahlung und Temperaturver
hältnisse auf daS Gebäude der Sternwarte
ihren Grund gehabt haben. Auch Ca lan
dre! li, der in Rom um 1805 den nahe
durch den Zenith gehenden Stern Wega,
« der Leier, beobachtete, glaubte eine P.
desselben von mehr als 4" gefunden zu
haben, und ebenso fand Brinkley bei
verschiedenen Sternen Werte für die P.
Spätere Untersuchungen haben aber keins
dieser Ergebnisse bestätigt, und so sind die
selben wohl auf Beobachtungsfehler zurück
zuführen.
Die bisher erwähnten Bemühungen
galten der Bestimmung der absoluten
P., aber schon Galilei hatte in seinen
berühmten »Gesprächen über die zwei
wichtigsten Weltsysteme« darauf hinge
wiesen, daß sehr nahe bei einander stehende
Sterne möglicherweise einen wesentlich
verschiedenen Abstand von uns haben kön
nen, und daß dieser Umstand zur Ermit
telung des Unterschieds der Parallaxen
oder der sogen, relativen P. des einen
Sterns in bezug auf den andern dienen
könnte. »Da ich nicht glaube«, so sckreibt
Galilei im dritten Gespräch, »daß alle
Sterne sich aus einer Kugelfläche in glei
chen Abständen vom Mittelpunkt befin
den, sondern dafür halte, daß ihre Ent
fernungen von uns dermaßen verschieden
sind, daß manche von ihnen zwei- und
dreimal weiter entfernt sind als andre, so
kann es kommen, wenn man im Fern
rohr in unmittelbarer Nähe eines größern
einen ganz kleinen Stern findet, der da
her der entferntere ist, daß sich dann eine
merkliche Veränderung in ihrer gegensei
tigen Lage herausstellt.«
Dieses Verfahren wurde, wiewohl ohne
Erfolg, bereits von H u y g e n s, desgleichen