36
Astrologie (Kirchenväter, Araber, Neuzeit).
Ansehen die A. damals stand, daS bezeugt
insbesondere der heil. Augustin (354—
430), der selbst bekennt, diesen Aberglau
ben früher sehr hoch gehalten zu haben.
Aus dem 4. Jahrh, stammt die noch erhal
tene Schrift des Sizilianers Firmicuö
Maternus: »Acht Bücher Astronomie«,
die als das umfangreichste Werk der an-
tikenA. zu bezeichnen ist. In dieser Schrift
finden wir zuerst die Lehre von den zwölf
Himmelshäusern, die bis in die neueste
Zeit in den astrologischen Schriften eine
so große Rolle gespielt haben. Auch gibt
Firmicus, um die Glaubwürdigkeit der
astrologischen Prophezeiungen zu erweisen,
die Nativitäten (Geniture») des Ödipus,
Paris, Demosthenes, Hermodor, Hpmer,
Platon, Pindar, Archilochoö, Archimedes
und TherfiteS, die natürlich in Wahrheit
nicht auf sicherer Tradition beruhen, son
dern nachträglich erdacht sind.
Eifrige Gegner der A.waren die christ
lichen Kirchenväter, die den Fatalis
ums, welcher in den Konstellationen der
Gestirne die bedingenden Ursachen für daS
menschliche Handeln und das menschliche
Schicksal sah, als mit der menschlichen
Freiheit unverträglich verwarfen. Und
doch glaubte Origeneö, der besondere
Energie in der Bekämpfung der A. ent
wickelte, selbst an einen Einfluß der Ge
stirne auf das menschliche Geschick; nur
hielt er den Menschen für unfähig, die
von Gotteö Hand am Himmel sichtbaren
Hieroglyphen zu entziffern, was nur
Hähern Geistern im Jenseits möglich sei.
Kein Wunder, daß auch einige christliche
Sekten, wie die Gnostiker und Priscillia-
uisten, astrologische Spekulationen in ihr
Glaubensbekenntnis mischten. Auch die
philosophische Richtung des Neuplatonis-
muö war der A. günstig, und namentlich
stand dieselbe bei manchen der spätern
Vertreter desselben in großem Ansehen.
Hierher gehört der als mathematischer
Kommentator bekannte Proklos Dia-
d ochos (geb. 410 zu Konstantinopel, gest.
485), welcher uns eine noch erhaltene
Überarbeitung des erwähnten »Tetrabi-
blos« hinterlassen hat. Von seinem Schü-
lerMarinus besitzen wir eine Biographie
des Lehrers mit genauer Nativität des
selben, vielleicht der einzigen echten, welche
uns aus dem Altertum hinterlassen ist.
Sorgfältige Pflege widmeten die Ara
ber und die jüdischen Kabbalisten der A.,
die von ihnen zu einem förmlichen System
ausgebildet wurde. Besonders berühmte
Autoritäten sind Abu Maschar aus
Bath in Chorasan im 9. Jahrh, und
Aboazen Hali im 13. Jahrh., deren
Werke auch im christlichen Abendland hohes
Ansehen genossen. Bei den christlichen
Völkern kam die A. namentlich im 14.u.
15. Jahrh, zu hoher Blüte; an den Höfen
der Herrscher waren die Hofastrologen von
großem Ansehen, ohne ihren Rat wurde
nichts unternommen, und selbst ein so auf
geklärter und freigeistiger Fürst wie der
Hohenstaufe Friedrich Ü. war ein eifriger
Anhänger der A. An den ältesten Uni
versitäten, in Bologna und Padua, wurde
der Lehrstuhl der Ä. als einer der wichtig
sten betrachtet. Obschon am Ende des 15.
Jahrh, der italienische Reformator Savo-
narola (geb. 21. Sept. 1452 zu Ferrara,
23. Mai 1498 in Florenz verbrannt) und
der philosophisch gebildete Graf Pico von
Mirandola gegen die A. auftraten, feierte
dieselbe doch noch im folgenden, ja selbst
im 17. Jahrh, ihre Triumphe. Besonders
berühmt war im 16. Jahrh, der Astrolog
Nostradamus (geb. 14. Dez. 1503 zu
St. Remy in der Provence, gest. 2. Juli
1566 zu Salon), der durch Katharina von
Medici an den französischen Hof gezogen
und von Karl IX. zum Leibarzt ernannt
wurde, dessen Prophezeiungen jahrhun
dertelang gläubig gelesen und noch 1781
vom Papst verboten wurden. Übrigens
fanden sich Anhänger der A. unter den
Protestanten wie unter den Katholiken,
und auch Melanchthon huldigte diesem
Aberglauben. Ja selbst unser großer Astro
nom Kepler hatte noch nicht vollständig
mit demselben gebrochen; nicht nur, daß
er notgedrungen, des Broterwerbs halber,
Nativitäten stellte, wobei er sich den Ruhm
eines äußerst geschickten Astrologen er
warb, sondern er nahm die A. auch gegen
Angriffe andrer in Schutz, wie unter an
ders» die 1610 von ihm veröffentlichte
Schrift beweist: »Tertius interveniens,
das ist, Warnung an etliche 11ieologo8,