442 Selenographie.
Gläubigkeit des großen Publikums berech
neter Scherz.
Selenoflraphie(griech.,»Moudbeschrei-
bung«), Topographie des Mondes, die
Beschreibung und graphische Darstellung
der Mondoberfläche. Als Galilei das
eben erst erfundene Fernrohr auf den Him
mel richtete, war die gebirgige Beschaffen
heit der Oberfläche unsers Mondes eine
seiner ersten Entdeckungen. Damit war
eine Bestätigung für bie Richtigkeit der
schon im Altertunr von einzelnen gehegten
Meinung geliefert, die der Geschichtschrei
ber Plutarch in seiner Schrift Ȇber
das Gesicht im Mond« erwähnt hat, daß
man nämlich in den Flecken des Mondes
teils tiefe Klüfte und Thäler, teils Berg
gipfel vor sich habe, die lange Schatten
werfen, wie der Athos, der mit dem seini-
gen Lemnos erreicht. Galilei hat auch
Ipäter den Versuch gemacht, die Höhe eini
ger Mondberge zu messen, und er sowohl
als viele seiner Zeitgenossen, unter denen
der berühmte Geschichtschreiber des Tri-
dentiner Konzils, Fra Pietro Sarpi,
besonders genannt wird, interessierten sich
lebhaft für die Oberflächenbcschaffeuheit
unsers Satelliten. Aber seine Zeichnun
gen der Mondoberfläche waren noch sehr
mangelhaft. Vollkommener mögen die
Abbildungen sein, die der neapolitanische
Edelmann Fontana auf Grund eigner
Beobachtungen, die er seit 1630 angestellt,
in seiner Schrift »Neue Beobachtungen
himmlischer und irdischer Dinge« (lat.)
1646 veröffentlicht hat. Diese und andre
stenographische Arbeiten des 17. Jahrh,
wurden aber in Schatten gestellt durch die
1647in Danzig erschienene »S.«des Dan-
ziger Brauereibesitzcrs H e v e l. Fünf Jahre
lang beobachtete dieser eifrige Liebhaber
der Astronomie den Mond mit sechs - und
zwölffüßigen Fernrohren, die durchweg
Werke seiner Hand waren, da es ihm selbst
mit großen Kosten nicht möglich gewesen
war, auf andern: Weg in den Besitz eines
guten Instruments zu gelangen. Fast
hätte er das ganze Unternehmen aufge
geben, als er erfuhr, daß der berühmte
Pariser Matheniatiker und Astronom
Gassen di sich die gleiche Aufgabe gestellt
und dieselbe bereits unter Mitwirkung
eines geschickten Zeichners und Kupfer
stechers in Angriff genommen habe. Auf
eine Anfrage bei Gassendi, der einige
Proben von Mondzeichnungen beigelegt
waren, erklärte dieser aber," daß er der
artigen Leistungen gegenüber zurücktrete,
und er forderte Hevel dringend auf, in
seiner Arbeit fortzufahren. Hevel war zu
diesem Unternehmen vorzüglich geeignet,
da er nicht nur ein sicheres Äuge, sondern
airch eine im Zeichnen und Kupferstechen
geübte Hand besaß. Die Abbildungen in
seiner »S.«, welche den Mond für jeden
Tag seines Alters zeigen, sind von ihm
eigenhändig in Kupfer gestochen, und eine
der Kupferplatten, welche die Vollmonds-
karte enthält, existiert jetzt noch als Kaffee
brett. Das Werk Hevels, das erste, mit
dem er an die Öffentlichkeit trat, wurde
bei seinem Erscheinen überall mit lautem
Beifall aufgenommen, und selbst der Papst
Jnnoceuz X. soll Zucchius gegenüber
geäußert haben, daS Buch würde nicht sei
nesgleichen haben, wenn es nur nicht von
einem Ketzer geschrieben wäre. Die Folge
zeit hat diese Anerkennung gerechtfertigt:
Hevels Werk ist trotz mannigfacher Unge-
nauigkeitcn in den Einzelheiten der Zeich
nung bis zu den Zeiten Lohrmanns un
übertroffen geblieben.
Von Hevel rührt nun auch ein Teil der
Benennungen her, welche wir auf Mond
karten antreffen. Anfangs hatte derselbe
die Absicht, sich zur Bezeichnung der ver
schiedenen Objekte der Namen berühmter
Männer zu bedienen; um aber die gegen
seitige Eifersucht der zeitgenössischen Ge
lehrten nicht rege zu machen, zog er es vor,
die Nanien von Gebirgen und Ländern der
Erde auf den Mond zu übertragen, wobei er
sich aber ausdrücklich dagegen verwahrt, als
wolle er damit Ähnlichkeiten der irdischen
und der auf dem Mond befindlichen Ob
jekte bezeichnen. So kamen die Karpathen,
die Apenninen, die Alpen, der Kaukasus rc.
auf den Mond. Da er ferner die zum
Teil mit bloßem Auge sichtbaren grauen
Flecke für Wasseransammlungen" hielt,
so bezeichnete er sie als Meere; so ent
standen die lateinischen Bezeichnungen
Mare frigoris oder Eismeer, Mare im-
brium oder Meer der Regen, Mare 8ere-