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Sonne (Entdeckung der Flecke).
Fabricius. Am nächsten Morgen war der
Fleck wieder sichtbar, er schien aber sei
nen Ort ein wenig geändert zu haben.
Die Beobachtungen wurden nun, um die
Augen zu schonen, so angestellt, daß die
Sonnenstrahlen durch eine feine Öffnung
in ein dunkles Zimmer gingen, wo auf
einer weißen Fläche ein Sonnenbild ent
stand. Indessen trat drei Tage lang trü
bes Wetter ein. Als aber der Himmel
sich wieder aufhellte, war der Fleck in et
was schiefer Richtung von O. nach W.
fortgerückt, und am östlichen Rande der
S. war ein kleinerer Fleck sichtbar, der
nach einigen Tagen in die Mitte der
Sonnenscheibe rückte. Dann kam noch
ein dritter hinzu. Der größere entzog sich
am westlichen Sonnenrand nach und nach
den Blicken der Beobachter, und aus der
Bewegung der andern war zu ersehen,
daß sie das (Uriche thun würden. Die
beiden Fabricius warteten nun auf das
Wiedererscheinen und hatten in der That
die Genugthuung, nicht nur den größten,
sondern auch die andern Flecke wieder
am Ostrand zum Vorschein kommen
und über die Scheibe weggehen zu sehen.
»Dies leitete mich«, so schreibt Fabricius,
»auf eineUmwälzungderFlecken; darüber
wollte ich nicht auö einer einzigen Um
drehung urteilen, sondern aus etlichen
folgenden, die ich vom Anfang des Jahrs
bis auf die jetzige Zeit nicht allein ange
merkt habe, sondern auch andre mit mir.«
Wenig später als Fabricius bemerkte
auch der Jngolstädter Professor Schei
ne r in Gegenwart seines Schülers C y s a t
Flecke auf der Sonne. Als Mitglied der
Gesellschaft Jesu machte er auch dem Pro
vinzial dieses Ordens, Theodor Busäus,
Mitteilung von seiner Entdeckung. Dieser
aber, ein eifriger Anhänger des Aristoteles,
riet ihm, zu schweigen, da in den Schriften
des griechischen Gelehrten sich keine Erwäh
nung der Sonnenflecke finde, Scheiner
sich also getäuscht haben müsse. Indessen
nahm letzterer trotzdem seine Beobachtun
gen wieder auf, und als er abermals
Sonnenflecke fand, teilte er endlich unter
dem angenommenen Namen »Apelles«
seine Entdeckung dem gelehrten Augs
burger Ratsherrn Markus Welser mit.
Dieser ließ dann die vom 12. Nov., 19.
und 26. Dez. 1611 datierten »Drei Briefe
über die Sonncnflecken an Markus Wel
ser« ohne Wissen des Autors im Januar
deö nächsten Jahrs im Druck erscheinen
und verschickte sie an verschiedene Gelehrte,
namentlich auch an Galilei. Der letztere
antwortete unterm 4. Mai 1612, daß er
Sonnenflecke bereits wahrgenommen, als
er noch in Padua gewesen, d. h. vor Mitte
August 1610, auch solche seit November
1610 in Florenz häufig beobachtet und
andern Personen gezeigt, auch seitdem
ihre Bewegung und Veränderlichkeit er
kannt habe. Nach den von Plana 1860
veröffentlichten Briefen Galileis und ver
schiedener Zeitgenossen ist nicht daran zu
zweifeln, daß diese Prioritätsansprüche
Galileis gerechtfertigt sind; aber ander
seits steht fest, daß derselbe damals die
Wichtigkeit der Entdeckung nicht erkannt
hat, und wenn einerseits Fulgenzio Mi-
canzio bezeugt, daß Galilei seinem
Freund Paolo L>arpi die Flecke zu Ve
nedig (also vor seiner Ende August 1610
erfolgten Abreise nach Florenz) mit sei
nem neuerfundenen Fernrohr auf einer
weißen Tafel gezeigt hat, so ist doch ander
seits die älteste von Galilei mit Datum
bezeichnete Beobachtung erst vom 5. April
1612. Jene Antwort Galileis war übri
gens der Beginn eines mehrereJahrzehnte
hindurch mit vieler Erbitterung zwischen
Scheiner und Galilei geführten Kampfes,
der wohl infolge der Anteilnahme der
Jesuiten für ihr Ordensmitglied Scheiner
nicht ohne Einfluß auf das Schicksal Gali
leis gewesen ist. Den Erfolg hatte der
selbe indessen wenigstens, daß den Sonnen
flecken eine erhöhte Aufmerksamkeit zuge
wendet wurde. Galilei veröffentlichte be
reits 1613 ein Werk unter dem Titel:
»Moria e dimostrazioni intorno alle
macchie solari«. Scheiner aber, der eine
längere Reihe von Jahren hindurch mit
großem Fleiße seine Sonnenbeobachtungeu
unter Benutzung farbiger Blendgläser
fortsetzte, beschrieb dieselben in einem um
fangreichen, dem Herzog Paolo Gior
dano II. von Bracciano, aus dem Haus
Orsini, gewidmeten Werk, das den Titel
führt: »Losa Ilrsina« (1630).