Full text: Lexikon der Astronomie

Störunqen. 509 
sie 1790 erreichten, und 2020 werden beide 
S. wieder ihre größten Werte (im entgegen 
gesetzten Sinn) erlangen. 
Eine andre Unterscheidung der S. in 
allgemeine und spezielle bezieht sich 
auf die Art der Berechnung. Bei den Plane 
toiden und bei den Kometen würden näm 
lich die allgemeinen Formeln zu verwickelt 
werden, weshalb man die Berechnung nach 
der Methode der speziellen S. führt, welche 
darin besteht, daß man den Himmelskör 
per Schritt für Schritt auf seiner Bahn 
verfolgt und für jeden einzelnen Ort, an 
dem er sich befindet, die S. der übrigen 
Körper berechnet. 
Man spricht ferner von S. ersterOrd- 
nung und von solchen höherer Ord 
nungen. Diese Benennungen beziehen 
sich auf die analytischen Ausdrücke, welche 
die betreffenden S. ausdrücken. S. erster 
Ordnung sind nämlich solche, welche der 
ersten Potenz einer einzigen störendenMasse 
proportional sind, S. zweiter Ordnung 
solche, die dem Produkt zweier solcher 
Massen oder dem Quadrat einer solchen 
proportional sind rc. Schon diese letztern 
macken viel Mühe; zu noch höherer Ord 
nung aufzusteigen, hat man nur in seltenen 
Fällen nötig gefunden. Bei der Berech 
nung der S. erster Ordnung betrachtet 
man den Einfluß jedes einzelnen störenden 
Körpers für sich allein ohne Rücksicht auf 
die übrigen; man stellt also die Rechnung 
für jeden störenden Körper so air, als 
wäre nur dieser allein außer dem Zentral 
körper und dem gestörten Körper vorhan 
den. Deshalb heißt die hier zu lösende Auf 
gabe das Problem der drei Körper. 
Ein weiteres Eingehen auf die verschie 
denen S. muß hier unterbleiben. Man 
findet daö Wichtigste darüber ohne eigent 
liche Rechnung durch ganz elementare geo 
metrische Betrachtungen erläutert in einem 
Schriftchen von Airy, das Littrow un 
ter dem Titel: »Populäre physische Astro 
nomie« ins Deutsche übersetzt hat. Nicht 
io elementar, aber doch mit den einfachsten 
Hilfsmitteln der Analysis behandelt die 
S. Möbius in seinen »Elementen der 
Mechanik des Himmels«. 
Mit den S. hängt eng zusammen die 
Frage nach der Dauer des Planeten 
systems, die für uns Menschen ziemlich 
gleichbedeutend ist mit derjenigen nach der 
Dauer des Weltgebäudes. Man 
kann leicht auf den Gedanken kommen, 
daß durch das beständige Anwachsen ge 
wisser säkularer S. die Bahnen der Erde 
und der andern Planeten allmählich so 
verändert werden, daß einzelne dieser Kör 
per arifeinander treffen oder in paraboli 
schen Bahnen aus dem Gebiet des Systems 
fortgehen. Die genauere Untersuchung der 
S. hat in dieser Hinsicht zu beruhigenden 
Ergebnissen geführt. Sie hat zunächst ge 
zeigt, daß die halben großen Achsen der 
Planetenbahnen und daher auch die mitt 
lern Bewegungen keiner säkularen Stö 
rung unterworfen sind. Es kann sich also 
die Bahn der Erde weder allmählich zusam 
menziehen bis zur Dimension der Venus 
oder Merkurbahn, noch erweitern bis zu 
der des Mars oder gar des Jupiter. Aller 
dings ist dieser Satz nur für die S. der bei 
den ersten Ordnungen erwiesen; da aber 
die S. höherer Ordnungen während der 
nächsten Jahrhunderte unmerklich bleiben, 
so müssen jedenfalls Jahrtausende ver 
gehen, ehe dieselben einen den Bestand des 
Systems irgendwie merklich ändernden 
Einfluß äußern können. Ferner unter 
liegen die Exzentrizitäten und gegenseiti 
gen Neigungen der Bahnen keiner eigent 
lichen säkularen Störung, wohl aber perio 
dischen S. von so langer Dauer, daß sie 
für eine längere Zeit ganz den Charakter 
der säkularen haben. Bezüglich der Ex 
zentrizitäten besteht eine merkwürdige von 
Laplace nachgewiesene Formel: multi 
pliziert mau nämlich für jeden einzelnen 
Planeten daS Quadrat der Exzentrizität 
mit der großen Halbachse der Bahn und 
der Quadratwurzel aus der Masse, so ist 
die Summe aller dieser Produkte unver 
änderlich. Es folgt daraus, daß keine Ex 
zentrizität einer Planetenbahn wachsen 
kann, ohne daß eine oder mehrere andre 
abnehmen, und umgekehrt. Dagegen kön 
nen die Längen der Perihele und der Kno 
ten im Lauf der Zeit alle Werte von 
0—360° annehmen. Diese Veränderun 
gen gefährden aber in keiner Weise den 
Bestand des Systems und sind ohne Ein 
fluß auf die Lebensverhältniffe auf der Erde.
	        
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