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sie 1790 erreichten, und 2020 werden beide
S. wieder ihre größten Werte (im entgegen
gesetzten Sinn) erlangen.
Eine andre Unterscheidung der S. in
allgemeine und spezielle bezieht sich
auf die Art der Berechnung. Bei den Plane
toiden und bei den Kometen würden näm
lich die allgemeinen Formeln zu verwickelt
werden, weshalb man die Berechnung nach
der Methode der speziellen S. führt, welche
darin besteht, daß man den Himmelskör
per Schritt für Schritt auf seiner Bahn
verfolgt und für jeden einzelnen Ort, an
dem er sich befindet, die S. der übrigen
Körper berechnet.
Man spricht ferner von S. ersterOrd-
nung und von solchen höherer Ord
nungen. Diese Benennungen beziehen
sich auf die analytischen Ausdrücke, welche
die betreffenden S. ausdrücken. S. erster
Ordnung sind nämlich solche, welche der
ersten Potenz einer einzigen störendenMasse
proportional sind, S. zweiter Ordnung
solche, die dem Produkt zweier solcher
Massen oder dem Quadrat einer solchen
proportional sind rc. Schon diese letztern
macken viel Mühe; zu noch höherer Ord
nung aufzusteigen, hat man nur in seltenen
Fällen nötig gefunden. Bei der Berech
nung der S. erster Ordnung betrachtet
man den Einfluß jedes einzelnen störenden
Körpers für sich allein ohne Rücksicht auf
die übrigen; man stellt also die Rechnung
für jeden störenden Körper so air, als
wäre nur dieser allein außer dem Zentral
körper und dem gestörten Körper vorhan
den. Deshalb heißt die hier zu lösende Auf
gabe das Problem der drei Körper.
Ein weiteres Eingehen auf die verschie
denen S. muß hier unterbleiben. Man
findet daö Wichtigste darüber ohne eigent
liche Rechnung durch ganz elementare geo
metrische Betrachtungen erläutert in einem
Schriftchen von Airy, das Littrow un
ter dem Titel: »Populäre physische Astro
nomie« ins Deutsche übersetzt hat. Nicht
io elementar, aber doch mit den einfachsten
Hilfsmitteln der Analysis behandelt die
S. Möbius in seinen »Elementen der
Mechanik des Himmels«.
Mit den S. hängt eng zusammen die
Frage nach der Dauer des Planeten
systems, die für uns Menschen ziemlich
gleichbedeutend ist mit derjenigen nach der
Dauer des Weltgebäudes. Man
kann leicht auf den Gedanken kommen,
daß durch das beständige Anwachsen ge
wisser säkularer S. die Bahnen der Erde
und der andern Planeten allmählich so
verändert werden, daß einzelne dieser Kör
per arifeinander treffen oder in paraboli
schen Bahnen aus dem Gebiet des Systems
fortgehen. Die genauere Untersuchung der
S. hat in dieser Hinsicht zu beruhigenden
Ergebnissen geführt. Sie hat zunächst ge
zeigt, daß die halben großen Achsen der
Planetenbahnen und daher auch die mitt
lern Bewegungen keiner säkularen Stö
rung unterworfen sind. Es kann sich also
die Bahn der Erde weder allmählich zusam
menziehen bis zur Dimension der Venus
oder Merkurbahn, noch erweitern bis zu
der des Mars oder gar des Jupiter. Aller
dings ist dieser Satz nur für die S. der bei
den ersten Ordnungen erwiesen; da aber
die S. höherer Ordnungen während der
nächsten Jahrhunderte unmerklich bleiben,
so müssen jedenfalls Jahrtausende ver
gehen, ehe dieselben einen den Bestand des
Systems irgendwie merklich ändernden
Einfluß äußern können. Ferner unter
liegen die Exzentrizitäten und gegenseiti
gen Neigungen der Bahnen keiner eigent
lichen säkularen Störung, wohl aber perio
dischen S. von so langer Dauer, daß sie
für eine längere Zeit ganz den Charakter
der säkularen haben. Bezüglich der Ex
zentrizitäten besteht eine merkwürdige von
Laplace nachgewiesene Formel: multi
pliziert mau nämlich für jeden einzelnen
Planeten daS Quadrat der Exzentrizität
mit der großen Halbachse der Bahn und
der Quadratwurzel aus der Masse, so ist
die Summe aller dieser Produkte unver
änderlich. Es folgt daraus, daß keine Ex
zentrizität einer Planetenbahn wachsen
kann, ohne daß eine oder mehrere andre
abnehmen, und umgekehrt. Dagegen kön
nen die Längen der Perihele und der Kno
ten im Lauf der Zeit alle Werte von
0—360° annehmen. Diese Veränderun
gen gefährden aber in keiner Weise den
Bestand des Systems und sind ohne Ein
fluß auf die Lebensverhältniffe auf der Erde.