Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Allgemeinere geographische Anforderungen an die Kartennetze. 
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B. Die Brauchbarkeit der Projektionen für chorographische Karten. 
I. Allgemeinere geographische Anforderungen an die Kartennetze. 
61. Der Kampf zwischen flächentreuer und winkeltreuer Projektion. Mit der 
Forderung an die Karte, ein möglichst genaues topographisches Bild des abzubilden - 
den Gebietes zu liefern, sind wir in eine Ära der Kartographie eingetreten, die seit 
Anfang des 19. Jahrhunderts den neuern Forschungen über die Projektionslehre das 
Gepräge gegeben hat. Bis dahin wurden in der Regel allein die Bilder der Meridiane 
und Parallelkreise untersucht und ihre Abbildung auf die Ebene gelehrt. Eigentlich 
werden nur Punkte der Kugeloberfläche oder des Sphäroids abgebildet und aus den 
Abbildungsformeln selbst noch Eigenschaften des Bildes abgeleitet. Hierher gehören 
die Bemühungen der Begründer einer wissenschaftlichen Projektionslehre, wie die 
von Lagrange und Lambert. Wenn jedoch J. Frischauf sagt, daß den modernen 
Anforderungen an eine Karte die Beschränkung auf Bilder der Punkte nicht mehr 
genügt 1 , kann ihm der Geograph nicht bedingungslos folgen. Frischaufs Darlegungen 
treffen für die Entwicklung der topographischen Karte zu, nicht aber für die choro- 
graphischen Karten, die sicherlich noch lange von den Theorien eines Lamberts, 
Tissots u. a. zehren werden, was ja natürlich ist, da es diese Karten mit den Bildern 
von Meridianen und Parallelkreisen zu tun haben, und das wird solange der Fall sein, 
als es noch Handatlanten und Schulkarten geben wird. Mit andern Worten: die 
Geographen haben es in der Hauptsache mit chorographischen Karten zu tun und 
die Projektionslehre für diese Karte hat auch seit Lambert Fortschritte zu ver 
zeichnen und sich merklich entwickelt, wenngleich nicht in dem schnellen Tempo 
w r ie die der topographischen, was auch wiederum einleuchtend ist, da letztere bis zum 
18. Jahrhundert eigentlich keine Entwicklung hatten. 
Als dem Geographen das Gewissen für die Projektion seiner Karten geschärft 
war, wurde die Frage aufgerollt: Sind die winkeltreuen oder die flächentreuen Pro 
jektionen von größerm Nutzen? Die Frage ist im allgemeinen zugunsten der flächen 
treuen Entwürfe entschieden worden. Wohl sagt noch Hammer: „Die Ansicht dar 
über, welche von beiden Anforderungen an geographische Karten gestellt werden soll, 
schwankten und schwanken; eine allgemein gültige Antwort ist nicht zu gehen. Für 
viele Zwecke der Geographie sind Winkelverzerrungen ziemlich gleichgültig, es handelt 
sich nur um Vergleichung von Flächenräumen; die Flächentreue ist für die Geographie 
meist die wichtigere Eigenschaft“. 1 2 Nun, wir glauben, nach der heutigen Ansicht 
der geographischen Wissenschaft hinsichtlich der Kartenprojektionen steht die Ant 
wort jetzt fest: Im allgemeinen sind die flächentreuen Entwürfe für den 
Geographen die wichtigsten. Ob sie azimutal sind oder nicht, das ist vorderhand 
gleichgültig. Wir finden auch die entgegengesetzte Anschauung vertreten, nach der 
nur winkeltreue Projektionen als einzig brauchbare für den Geographen hingestellt 
werden. 3 Daneben gibt’s noch eine dritte, lediglich von den Erfahrungen der Praxis 
diktierte Anschauung, die das Schwergewicht weder auf die Winkeltreue noch auf 
1 J. Frischauf: Beiträge, a. a. O., S. IV und V. 
2 E. Hammer: Über die geographisch wichtigsten Projektionen. Stuttgart 1889, S. 11. 
a Vgl. Wittsteins und Augusts Ansichten in Hammer-Tissot: Die Netzentwürfe geo 
graphischer Karten. Stuttgart 1887, S. VII.
	        
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