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Das Kartennetz.
73. Zur Verteidigung des Bonneschen Entwurfs. Zum Schluß muß hier auch
noch etwas zugunsten des Bonneschen Entwurfs oder der Projektion des Dépôt
de la Guerre oder der Carte de France hervorgehoben werden. 1 Durch neuere Pro
jektionstheoretiker, wie Zöppritz, Bludau, Hammer 1 2 , ist die Bonnesche Pro
jektion in einer Weise diskreditiert worden, daß sich die Kartographen kaum noch
getrauen, sie anzuwenden. Zunächst ist ihre Äquivalenz ein großer Vorzug, schon
von J. T. Mayr d. J. erkannt 3 , den sie aber auch mit-andern flächentreuen Pro
jektionen teilt. Ihr Nachteil beruht vorzüglich darin, daß die Schnittwinkel von Meri
dianen und Parallelen mit der Entfernung vom Mittelmeridian, nach etwa 25 bis 30°,
rapid vom wahren Werte abnehmen, weshalb die dargestellten Länder alsdann be
trächtlich verunstaltet werden. Sie hat aber den Vorzug der leichten Konstruierbar-
keit, worauf gerade H. Wagner mit Nachdruck hinweist. Für nicht zu breit über
den Mittelmeridian hinausragende Kartenbilder kann die Projektion nach wie vor
gebraucht werden, desgleichen bei kleinern Erdräumen, wie sie z. B. auf Gradnetz
karten Platz finden. 4 Die Karte des Deutschen Reiches von C. Vogel in 1:500000
würde in einer andern Projektion als in der Bonneschen auch nicht um ein Jota
brauchbarer werden als sie heute ist. Die wirkliche Parallelität der Kreise entspricht
den natürlichen Verhältnissen des Erdkugelnetzes, und was noch wichtiger ist, die
Abweitungen sind getreu wiedergegeben, wodurch sich geographisch wichtige und
richtige Längenmessungen bewerkstelligen lassen, die die azimutalen Projektionen
in dieser Ausgiebigkeit nicht ermöglichen. Außerdem bietet die Maßtreue der Längen-
und Breitengrade die Möglichkeit der Zusammensetzung benachbarter Blattsegmente,
weshalb E. Debes in seinem Neuen Handatlas den Bonneschen Entwurf für die
Karten der europäischen Länder durchweg beibehalten hat. 5
Die Bonnesche und die einfache oder wahre Kegelprojektion erfreuen sich bereits
seit langer Zeit, die zweite sogar schon seit dem Altertum großer Beliebtheit, teils
gerechtfertigt, teils unverdient. Mit den Kegelnetzen hat man sich immer viel be
schäftigt, und sie sind der Ausgangspunkt für allerhand Modifikationen und Neu
gestaltungen geworden, an denen sich J. N. Delisle, Lambert, Murdoch, Albers,
Tissot, Schols u. a. beteiligten. Schols bringt eine Kegelprojektion zum Vorschlag 6 ,
deren Parallelkreise durch konzentrische Kreise dargestellt werden und die in der Mitte
zwischen der Bonneschen und der Albersschen Kegelprojektion steht; Tissot ver
minderte die Verzerrungen der echten konischen Projektion dadurch, daß er die
1 Der Bonneschen Projektion auf topographischen Kartenwerken, für die sie wie keine andere
der Projektionen, die für chorographische Karten in Frage kommen, geeignet ist, widme ich ein be
sonderes Kapitel im folgenden Hauptabschnitt und fasse mich darum oben ganz kurz. Man beachte
aber die in jenem Kapitel wiedergegebenen Urteile über Bonne ganz besonders.
2 Außer den Obengenannten hat sich gegen die Bonnesche Projektion auch der Niederländer
Schols ausgesprochen (s. auch Anm. 6).
3 J. T. Mayer: Gründl. u. ausführl. Unterricht, a. a. O., S. 13.
4 Vgl. J. Frischauf: Beiträge zur Geschichte und Konstruktion der Kartenprojektionen.
Graz 1891. — Zur Affinität in d. Z. f. d. Realschulwesen, 16. Jahrg., S. 206ff. — Sodann verschiedene
Stellen in seinen Mathematischen Grundlagen, a. a. O., S. 145, 146; und in seinen Beiträgen, a. a. O.,
S. 174.
5 Auf 25 Karten hat E. Debes in seinem Neuen Handatlas die Bonnesche Projektion an
gewendet; und man wird nicht behaupten dürfen, daß Debes von Projektionen nichts verstünde!
6 Schols: Eene équivalente projectie met minimumafwijking voor an cirkelvormig terrain
van geringe uitgebreidheid. Versl. en Medel. der K. Ak. van Wetenschapen. Amsterdam 1886. Ab-
teilg. Naturk., III. Reihe, II. Teil, S. 130.